Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt , Datum: 23.05.2024, Format: Meldung, Bereich: Behörde , Basis für die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland

Ein Provisorium sollte es sein, was am 8. Mai in Bonn 61 Männer und vier Frauen des Parlamentarischen Rates für den neuen Staat, die Bundesrepublik Deutschland abstimmen wollten und am 23. Mai 1949 als das wichtigste Gesetz in Deutschland in Kraft trat.

75 Jahre später sichert das Grundgesetz noch immer Freiheit, Frieden und Demokratie. Es steht über allen anderen Gesetzen und umfasst in seinen ersten 19 Artikeln die Grundrechte. Ein Teil dieser Grundrechte gilt für alle Menschen in Deutschland. Ein anderer Teil gilt nur für Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Eines der Grundrechte, das Grundrecht auf Asyl (Artikel 16a), ist das einzige in der Verfassung, das nur Ausländern zusteht. Es ist neben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) eine wichtige Anspruchsgrundlage und Werteentscheidung für humanitäre Migration.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet über Asylanträge auf der Grundlage des Asylgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes sowie europäischer Richtlinien und Verordnungen. Im Rahmen des Asylverfahrens werden die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz (Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz), das Vorliegen politischer Verfolgung im Sinne des Grundgesetzes sowie Abschiebungsverbote geprüft.

"Ein aus meiner Sicht besonders wichtiger Artikel ist …"

Aber natürlich gibt es in allen Bereichen des Bundesamtes Berührungspunkte mit den Artikeln des Grundgesetzes. Welche Werte prägen unser Zusammenleben? Welche Rechte, Pflichten und Freiheiten hat der Einzelne in der Gesellschaft? Wie weit geht die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland?

Wir haben das BAMF-Präsidium und seinen Pressesprecher gefragt, welche Bedeutung und welchen Einfluss das Grundgesetz und wichtige Artikel daraus auf ihre Arbeit haben.

Präsident Dr. Hans-Eckhard Sommer:

"Mein Lieblingsartikel ist Art. 28 Abs.1 Satz 1 des Grundgesetzes: "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen." Hier werden, noch über Art. 20 Abs. 1 hinausgehend, die tragenden Grundsätze unseres Staates genannt:

  • Rechtsstaat,
  • Republik,
  • Demokratie,
  • Sozialstaat,
  • Bundesstaat (Gliederung in Länder, die auf dieselben Prinzipien verpflichtet werden).

Die Betonung liegt auf dem Rechtsstaat, denn er ist grundlegend dafür, dass die anderen Prinzipien zur Geltung kommen und gegebenenfalls durchgesetzt werden können.

Beeindruckend ist, wie wenig Worte die parlamentarische Versammlung benötigte, um dies alles zum Ausdruck zu bringen. Der heutige Gesetzgeber bräuchte dafür sicher eine ganze Seite Text, und keiner wüsste nach dem Lesen so klar, was geregelt ist."

Vizepräsidentin Katrin Hirseland

Katrin Hirseland, Vizepräsidentin Katrin Hirseland, Vizepräsidentin Quelle: © BAMF

"Das Grundgesetz, das unser demokratisches Zusammenleben in Deutschland seit 75 Jahren regelt, ist eine Erfolgsgeschichte. Vieles davon ist für uns, ist für mich oft selbstverständlich. 

Nehmen wir etwa Artikel 5: 

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

Das sind wenige Worte, aber mit großer Bedeutung für unser tägliches Leben. Meinungs- und Pressefreiheit sind für mich ganz zentrale Grundsteine unserer Demokratie. Wichtig sind dabei auch die Grenzen, die unser Grundgesetz dazu formuliert, denn Artikel 5 lautet weiter: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."

Die Arbeit im Bereich Asyl und Flüchtlingsschutz erinnert uns als Behörde und mich persönlich daran, dass das, was in unserem Grundgesetz steht, ein Privileg ist, für das wir einstehen müssen. Gerade auch die Meinungs- und Pressefreiheit. Denn Vieles von dem, was Grundlage unseres Gemeinwesens ist, ist es in einzelnen Herkunftsländern der Menschen, die bei uns Schutz suchen, nicht.“

Vizepräsident Dr. Michael Griesbeck

"Unsere Verfassung ist gerade für eine Behörde, die dem Schutz von Verfolgten und der Integration von Zugewanderten verpflichtet ist, von hoher Bedeutung.

Ein besonders wichtiger Artikel für mich in unserer Arbeit ist der Gleichheitssatz und das Benachteiligungsverbot in Art. 3 GG:

Dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, ist ein Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaats und der parlamentarischen Demokratie. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie in Absatz 2 festgeschrieben ist, ist uns Leitschnur und Verpflichtung im Bundesamt und spielt auch in unserer täglichen Arbeit eine wichtige Rolle.

Die Merkmale des Benachteiligungsverbots in Absatz 3 wie Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben und religiöse und politische Anschauung haben große Bedeutung sowohl in der Arbeit im Asyl als auch in der Integration.

Unser Grundgesetz hat sich in den vergangenen 75 Jahren stetig weiterentwickelt, z.B. durch die deutsche Wiedervereinigung und das vereinte Europa, aber seine Rechte und Pflichten, seine Werte und Regelungen des guten Zusammenlebens sind heute mehr denn je von höchster Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt."

Pressesprecher Jochen Hövekenmeier

Porträt eines Mannes Jochen Hövekenmeier, Pressesprecher Quelle: © BAMF

Ich mag unser Grundgesetz ganz besonders wegen seiner klaren, verständlichen Sprache, die dennoch – oder gerade deswegen – Dinge gezielt auf den Punkt bringt, die man im Streitfall halt für den jeweils individuellen Fall überprüfen muss. Und es fängt in Artikel 1 gleich mit einem sehr kurzen Satz an, der den ganzen Artikel fast zur Lyrik werden lässt:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Da steht er nun dieser Satz, und will mit Leben gefüllt werden. Durch uns, für die dieses Grundgesetz geschrieben wurde. Aber dort steht auch nicht, die Würde der Deutschen sei unantastbar, sondern bewusst und eindeutig "Die Würde des Menschen…".

Alles gesagt mit diesem kleinen Satz.