Länderreport 53 - Äthiopien ,
Quelle: BAMF
Der 53. Länderreport aus den Länderanalysen informiert über die bewaffnete Auseinandersetzungen im äthiopischen Regionalstaat Tigray.
Hintergrund des Konflikts sind Spannungen zwischen der äthiopischen Regierung und der Regierung Tigrays, der Tigray People’s Liberation Front (TPLF), die bereits mit Amtsantritt von Premierminister Abiy im April 2018 begannen. Nach dem mutmaßlichen Angriff tigrayischer Milizen auf Kasernen des äthiopischen Militärs ordnete Abiy Anfang November 2020 den Einmarsch äthiopischer Truppen in Tigray an. Nach vorübergehenden militärischen Erfolgen der äthiopischen Streitkräfte (ENDF) starteten die Tigray Defense Forces (TDF), der militärische Arm der TPLF, im Juni 2021 eine Offensive, bei der es gelang, weite Teile Tigrays einschließlich der Hauptstadt Mekelle zurückzuerobern. Auch in den benachbarten Regionalstaaten Afar und Amhara gelangen der TDF militärische Erfolge. Nachdem die TDF und die mir ihr seit August 2021 verbündete Oromo Liberation Army weitere Städte eroberte und sich bis auf rund 200 Kilometer der Hauptstadt näherten, befürchteten auch sachkundige Beobachtende einen Vormarsch bis nach Addis Abeba. Daraufhin verhängte die äthiopische Regierung im November 2021 landesweit den Ausnahmezustand, forderte die Bevölkerung auf, sich notfalls mit Waffengewalt den Angreifenden zu widersetzen und startete eine Gegenoffensive, bei der es den äthiopischen Verbänden gelang, weite Teile Amharas und Afars zurückzuerobern. Die TDF zog sich nach Tigray zurück, das – mit Ausnahme der von amharischen Einheiten besetzten Western Zone – von der TPLF kontrolliert wird.
Nachdem die äthiopische Regierung am 24. März 2022 einen "humanitären Waffenstillstand" verkündete, dem die TPLF zustimmte, hatte sich die Lage weitestgehend beruhigt. Zwar bestätigten beide Seiten im Juni 2022 ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Friedensverhandlungen, tatsächlich stagnierten die Gespräche aufgrund von Vorbedingungen wie u.a. der vollständigen Beendigung der Blockade von Hilfslieferungen nach Tigray.
Seit August 2022 kommt es wieder zu Kampfhandlungen in den Grenzregionen Tigrays zu Amhara und Eritrea. Die äthiopischen Streitkräfte und die mit ihr verbündeten amharischen Milizen sowie Eritrea Defense Forces (EDF) sollen eine massive Militäroperation gegen die TDF gestartet haben. Seit Ausbruch des Konflikts gibt es zahlreiche Berichte über gravierende Menschenrechtsverletzungen durch die verschiedenen Konfliktparteien. Die humanitäre Lage in Tigray ist mittlerweile katastrophal. Über 90 Prozent der Bevölkerung sollen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein.