Einfluss von fluchtspezifischen Faktoren auf den Deutscherwerb , Datum: 30.06.2020, Format: Kurzanalyse, Bereich: Behörde , Familienkonstellation, Gesundheitsstand und Wohnsituation

Die BAMF-Kurzanalyse 4|2020 gibt für die Gruppe der Geflüchteten einen Überblick, welche individuellen fluchtspezifischen Faktoren einen Einfluss auf den Erwerb der deutschen Sprache haben. Als thematische Schwerpunktveröffentlichung basiert die Kurzanalyse auf dem Forschungsbericht 33, welcher als Zwischenbericht I zum Projekt Evaluation der Integrationskurse (EvIk) im September 2019 veröffentlicht wurde.

Die Autorinnen der Kurzanalyse haben hierfür 21 qualitative Interviews mit Integrationskursteilnehmenden, Vertreterinnen und Vertretern von Integrationskursträgern und Lehrkräften sowie Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016 und 2017 analysiert. Ziel war es, aufzuzeigen, welche möglichen individuellen Voraussetzungen den Prozess des Deutscherwerbs bei Geflüchteten nachteilig beeinflussen.

Zu diesen nachteiligen Voraussetzungen zählen die sozio-ökonomische Struktur, die Familienkonstellation sowie die Gesundheits- und Wohnsituation.

Insgesamt zeigt sich, dass nachteilige fluchtspezifische Voraussetzungen nicht auf alle Geflüchteten gleich oder gleich häufig zutreffen. Gerade aber wenn diese nachteiligen Voraussetzungen bestehen und gegebenenfalls auch kumuliert auftreten, wirken sie sich – je nach Konstellation – durchaus bedeutsam auf den Spracherwerb und somit auch auf die gesamte gesellschaftliche Teilhabe aus.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Sozio-ökonomische Struktur

Geflüchteten Integrationskursteilnehmenden mit einem höheren Bildungsniveau fällt der Erwerb der deutschen Sprache deutlich leichter als Geflüchteten mit einem niedrigen Bildungsniveau. Bei den zuletzt Genannten erschweren insbesondere fehlende Erfahrungen mit einem Schulsystem und dem "Lernen lernen", also wie man gezielt und strukturiert neues Wissen erwerben kann, sowie eine etwaige fehlende Alphabetisierung den Spracherwerb.

Familienkonstellation

Bei den inzwischen eher wenigen Geflüchteten, die von ihrer Kernfamilie getrennt in Deutschland wohnen, zeigen die qualitativen Interviews, dass die Trennung und die damit verbundenen Sorgen um die Angehörigen im Ausland zu Ablenkung und fehlender Konzentration im Sprachunterricht führen können. Der Spracherwerb verläuft dadurch entsprechend langsamer.

Gesundheitliche Situation

Trotz einer durchschnittlich guten gesundheitlichen Verfassung bei Geflüchteten, gibt es vulnerable Gruppen, bei denen z.B. ein erhöhtes Risiko besteht, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken. Bei diesen Gruppen zeigen die qualitativen Interviews, dass der Spracherwerb aufgrund einer temporär eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit erschwert sein kann.

Wohnsituation

Bei einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft fehlen häufig Rückzugsmöglichkeiten sowie Möglichkeiten zur Nutzung der deutschen Sprache. Entsprechend erschwert sich dort der Spracherwerb bei Geflüchteten. Im Gegensatz dazu sind Geflüchtete in Privatunterkünften nicht nur zufriedener mit ihrer Unterbringungssituation, sondern attestieren sich auch bessere Deutschkenntnisse.

Die Kurzanalyse wurde verfasst von: Andreea Baier, Dr. Anna Tissot und Dr. Nina Rother

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