Dossier: Freiwillige Rückkehr im europäischen Kontext ,
Nachhaltige Rückkehr als multidimensionaler Prozess ,
"Remigration und nachhaltige Rückkehr sind nicht das gleiche", so Dr. Katie Kuschminder in ihrer Keynote über nachhaltige Rückkehr
Quelle: BAMF | L. Thiem
Dr. Katie Kuschminder, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Global Governance Programms des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz sprach über ihre langjährige Forschung zu Rückkehr und Reintegration von Migranten und Geflüchteten in ihre Herkunftsländer. Die politische Diskussion um nachhaltige Rückkehr beschränke sich dabei zu oft auf die Verhinderung einer erneuten Auswanderung (Remigration), wodurch der Blick für den vielschichtigen Rückkehr- und Reintegrationsprozess versperrt werde.
Es fehle unter anderem an einer einheitlichen Definition von nachhaltiger Rückkehr, so Dr. Kuschminder. In politischen Positionspapieren werde oft die Verhinderung einer Remigration nach der Rückkehr betont, wodurch die Messung der Remigrationsbereitschaft nach einer Rückkehr in den Fokus gerate. Aber schon hier müsse zwischen dem Wunsch nach und der konkreten Absicht zur und der tatsächlich realisierten Remigration differenziert werden, was nicht immer geschehe. In ihrer Forschung zu unterstützten freiwilligen Rückkehrern in acht Ländern habe sich gezeigt, dass zwar mehr als die Hälfte der befragten Rückkehrer einen Wunsch zur Remigration haben, jedoch nur zehn Prozent von diesen auch konkrete Absichten hegten. Dabei plante ein Großteil, dies über legale Migrationskanäle zu verwirklichen. So bleibe nur ein sehr geringer Teil an Rückkehrern, die eine irreguläre Einwanderung in die vormaligen Zielstaaten beabsichtigen. In der politischen Diskussion über nachhaltige Rückkehr sei die Konzentration auf den Faktor Remigration daher unzureichend.
In der Forschung werde hingegen meist mit einer Definition zur nachhaltigen Rückkehr gearbeitet, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelt wurden oder in einigen Fällen auch auf eine Definition der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zurückgegriffen, die sowohl die Reintegration, die aufnehmende Gesellschaft im Herkunftsland als auch mögliche legale Remigrationskanäle berücksichtigt:
"Nachhaltige Rückkehr sollte entweder verstanden werden als (a) die erfolgreiche Reintegration im Herkunftsland, die einerseits wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Faktoren mit berücksichtigt und sich andererseits dadurch auszeichnet, dass die zurückgekehrten Personen sowohl mit alten als auch neuen Push-Faktoren ebenso umgehen können wie die lokale Bevölkerung; oder als (b) spätere legale Remigration*, die durch den Erwerb von Qualifikationen während des Reintegrationsprozesses möglich gemacht wurde.
" (IOM 2015)
Kuschminder empfahl, alle in der Definition der IOM genannten Faktoren zu untersuchen, wolle man das politische Ziel der nachhaltigen Rückkehr erfolgreich umsetzen. "Will man die Entscheidungsfindung der Rückkehrer besser verstehen, braucht man mehr Daten, das ist eine große Herausforderung für die Forschung."
Dazu gehöre auch, sowohl objektive als auch subjektive Einflussfaktoren zu berücksichtigen, wozu auch Gefühle und Wahrnehmungen der (potenzielle) Rückkehrer gehören. Bisher fehlten jedoch entsprechende Monitorings oder Evaluationen von Rückkehr- und Reintegrationsprogrammen. Einzelne Studien weisen allerdings darauf hin, dass zwangsweise Rückführungen der Nachhaltigkeit eher im Wege stehen, während eine positiver besetzte Rückkehrentscheidung den Reintegrationsprozess und die Nachhaltigkeit der Rückkehr beförderten. Wolle man verstehen, wie und warum sich Menschen für die freiwillige Rückkehr entscheiden und mit welchen Programmen man ihnen helfen könne, müsse auch das untersucht werden. "Remigration und nachhaltige Rückkehr sind dabei nicht das gleiche und Remigration darf nicht das Schlüsselkriterium sein, an dem nachhaltige Rückkehr gemessen wird. Nachhaltige Rückkehr ist ein komplexer Prozess, der als Ergebnis eines erfolgreichen Reintegrationsprozesses gesehen werden kann. Um diesen zu verstehen, brauchen wir mehr Informationen zu objektiven und subjektiven Einflussfaktoren, die über die Absichten, Intentionen und Realisationen der Remigration hinausgehen. Die Länder, die Rückkehrer durch freiwillige Rückkehrprogramme finanzieren, spielen bei der Erhebung relevanter Daten zum Rückkehrprozess eine wichtige Rolle, etwa indem ein Monitoring in die Programme integriert wird."
An sich müsste die Herkunftsgesellschaft in Form der lokalen Bevölkerung nach der Rückkehr noch stärker in die Überlegungen einer nachhaltigen Rückkehr einbezogen werden, da diese ebenfalls eine wichtige Rolle spiele. Man könne nicht davon ausgehen, dass die Rückkehrer mit offenen Armen empfangen würden; nicht selten komme es zu Anfeindungen, sozialen Ausschlüssen und Nicht-Akzeptanz gegenüber den Rückkehrern. Die Programme sollten dies entsprechend berücksichtigen und sowohl Maßnahmen zur sozialen Reintegration als auch eine Sensibilisierung der lokalen Gemeinschaften für die Rückkehrenden beinhalten.
* erneute Auswanderung nach der Rückkehr ins Herkunftsland Anm. d. R.
Blätterfunktion
Inhalt
- Freiwillige Rückkehr im Fokus Europäischer Migrationspolitik
- Programme deutscher und europäischer Rückkehrpolitik
- Nachhaltige Rückkehr als multidimensionaler Prozess
- Rückkehrberatung: Pilotprojekte und Best-Practice
- Integriertes Rückkehrmanagement: Die Rolle von Rückkehrberatung, freiwilliger Rückkehr und Reintegration
- Reintegrationsprogramme für den Neustart im Herkunftsland
- Aus Erfahrung lernen