Michael Rosenbach bei #BAMFzeigtGesicht , Datum: 09.05.2017, Format: Interview, Bereich: Behörde , Michael Rosenbach leitet die Gruppe "Grundsatzfragen der Migration, Informationszentrum Asyl und Migration".

In welcher Abteilung arbeiten Sie im BAMF?
"Derzeit bin ich in der Abteilung 'Internationale Aufgaben, Grundlagen Asylverfahren und Migration' tätig und bearbeite dort mit meinen Kolleginnen und Kollegen die Themenfelder der Gruppe 'Grundsatzfragen der Migration, Informationszentrum Asyl und Migration'."

Was sind Ihre Hauptaufgaben?
"Die Aufgaben in meiner Gruppe sind sehr vielfältig, sie reichen von Themen legaler Migrationsmöglichkeiten über das Aufenthaltsrecht, der AZR-Registerführung bis hin zur Herkunftsländeranalyse einschließlich der Informationsvermittlung.
Dahinter verbergen sich überwiegend vom Gesetzgeber unmittelbar vorgegebene Aufgaben: Beispiele hierfür sind die Nationale Kontaktstelle Blaue Karte EU, die Registerführung nach dem AZR-Gesetz, Entscheidungen über Ausnahmen von der Passpflicht sowie Zustimmung zur Ausstellung oder über Verlängerungen von Reiseausweisen für Ausländer im Ausland. Hinzu kommt die Erfüllung des asylgesetzlichen Auftrags zur Bereitstellung 'genauer und aktueller Informationen aus relevanten Quellen' als Basis für die Entscheidungen des Bundesamtes.
Gerade hinter der zuletzt beschriebenen Aufgabe verbirgt sich eine entscheidende Grundlage für den operativen Asylbereich unseres Bundesamtes. Herkunftsländerspezialisten analysieren in enger Zusammenarbeit mit internationalen Partnerbehörden, dem UNHCR u.a. z.T. auch vor Ort die Lage in den Herkunftsländern und bereiten diese für unsere Entscheider/innen auf. Hier werden Textbausteine erstellt, Leitsätze vorbereitet und Herkunftsländerinformationen zusammengestellt. Informationen sind aber nur so hilfreich wie ihre Übermittlung funktioniert. Aus diesem Grund arbeiten wir ständig an der Art und Weise der Bereitstellung: kurz – prägnant – leicht verständlich. Dabei leistet die Informationsvermittlungsstelle unseres Informationszentrums einen wesentlichen Beitrag indem unsere Entscheider/innen schriftlich und telefonisch unterstützt und beraten werden.
Die dritte interessante Facette meines Aufgabenbereichs umfasst die Kommunikation mit Externen. Sie reicht von der Beantwortung einzelner Anfrage über den Erfahrungsaustausch mit Ausländerbehörden und Härtefallkommissionen bis hin zu Ausländerreferentenbesprechungen von Bund und Ländern. Hinzu kommt die Qualitätssicherung unseres Informationszentrums durch ein gesondertes 'Expertenforum' bestehend aus Vertretern von Ländern, NGO, Gerichten, Wissenschaftlern, Rechtsanwälten sowie des Auswärtigen Amtes."

Welche Bereiche haben Sie bereits im BAMF kennengelernt?
"Selbstverständlich habe ich im Bundesamt in dem Bereich des Asylverfahrens begonnen – 1993, wir hatten damals ebenfalls gerade Spitzenwerte im Zugang von Flüchtlingen mit festen Kontingenten, die wöchentlich abzuarbeiten waren. Und selbstverständlich war auch damals die Woche erst zu Ende, wenn man sein 'Paket getragen hatte'.
Zeitgleich mit der Umstrukturierung der Länderbereiche wechselte ich in unsere Zentralabteilung: Aufbau des ersten Sicherheitsreferates d.h. Zusammenarbeit mit den Kriminalbehörden und den 'Diensten' eine spannende Aufgabe für einen jungen Referenten. Spannend blieb es dann auch, eigentlich war/ist es in unserem Amt immer spannend, wenngleich auch nicht immer nur erfreulich, so mein Einsatz im Personalgrundsatzreferat mit dem Arbeitsschwerpunkt Außenstellenauflösungen und Personalabbau…
Zwischendurch noch ein paar Monate 'Leitung des Beschaffungsreferates' in einem Containerarbeitsplatz und dann, rechtzeitig zur Organisation des Umzugs unserer Zentrale in die Nürnberger Frankenstraße, mein Wechsel in den Inneren Dienst. Nach zwei Jahren und einer Umorganisation dieses mit 200 Mitarbeitern damals größten Referates unseres Amtes, meine Veränderung in einen ganz anderen Bereich: in die Informationstechnik. Zunächst Leitung der Anwendungsentwicklung, in diese Zeit fielen die 2000-Umstellung unserer Anwendungen und das Projekt 'IT 2000', an dessen Einführung ich als letzter Technischer Projektleiter (in einer längeren Liste) mitwirken durfte; seit 2001 besser bekannt als IT-System 'MARiS' mit dem es technisch ermöglicht wurde, jede Akte jederzeit in jeder unserer Außenstellen bearbeiten zu können. Schließlich wechselte ich in das IT-Management unseres Hauses. Zu dieser Zeit waren wir als Verwaltung IT-technisch 'ganz weit vorn': Workflowsystem, elektronische Akte mit bundesweiten Zugriffsmöglichkeiten, internetbasiertes Geoinformationssystem zum Auffinden unsere Migrationsberatungsstellen, Integrationskurse etc. Diverse Preise und Besuchergruppen aus ganz Europa bis hin zur Arbeitsverwaltung aus Südafrika waren die Folge. Zu der Zeit waren wir als Aussteller regelmäßig auch auf der CeBIT vertreten.
Zehn Jahre IT war eine schöne, aber auch eine lange Zeit. Nach einer Dekade weiß man wer zu einer Besprechung kommt und wer was sagt – das ist die Phase, in der man wechseln sollte und genau das habe ich getan: in die Integration. Die damalige Gruppe hatte die Schwerpunkte der Förderung von Integrationsprojekten, der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer sowie das Aufnahmeverfahren für jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Für mich eine ganz neue spannende und abwechslungsreiche Herausforderung verbunden mit zahlreichen Veranstaltung von Migrantenorganisationen sowie in dem großen Handlungsfeld 'Integration durch Sport' mit dem DOSB. Diese fanden zwar in der Regel an Wochenenden statt, aber das war der Preis dafür, mit vielen interessanten und sehr engagierten Ehrenamtlichen zusammentreffen zu können.
Seit nunmehr drei Jahren bin ich in meiner derzeitigen Position, unterbrochen von einem Jahr des Aufbaus 'Unterstützung Asyl / Lagezentrum'. Dahinter verbergen sich zwei Warteräume mit je 5.000 Betten zur temporären Unterbringung von Flüchtlingen sowie drei Bearbeitungsstraßen, in den asylsuchende Flüchtlinge unmittelbar nach Grenzüberschreitung registriert werden."

Was hat Sie 1993 dazu bewegt beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge anzufangen?
"Dies ist die Frage, bei der in den Vorstellungsgesprächen stets große Erwartungen bestehen:
Tatsächlich hat sich während meines Studiums der Rechtswissenschaften meine Liebe zum Verwaltungsrecht entwickelt. In meiner Referendarzeit habe ich die Verwaltungsstationen mit sechs Monaten Kommunalverwaltung und einem halben Jahr Landesverwaltung genossen. Meine Bewerbung für das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – das gebe ich zu – beruhte jedoch auch auf pragmatischen Erwägungen. Ich wohnte damals mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Münster, meine Frau war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WWU, mein Sohn besuchte die zweite Klasse und … ich konnte von unserem Balkon fast auf die damalige Außenstelle des Bundesamtes schauen. Ich gebe zu, als Vorsitzender einer Auswahlkommission hätte ich an dieser Stelle auch mehr erwartet!
Fakt ist aber auch, dass es nie zu einem Einsatz in Münster gekommen ist. Aus diesem Grund möchte ich die Frage etwas anders formulieren: warum bin ich beim Bundesamt geblieben? – Und hierfür gibt es viele Gründe: zunächst einmal das besondere Zusammengehörigkeitsgefühl – wir waren in den zurückliegenden Jahren nie eine 'normale Behörde' – wir waren im Personalaufbau oder im Personalabbau - wir haben um neue Aufgaben gekämpft oder wir haben sie gestaltet – der Wechsel von einer Asylbehörde über eine Geschäftsbereichs-IT-Behörde zu einem Kompetenzzentrum für Migration und Integration. Ruhe oder Eintönigkeit gab es nie, statt dessen stets neue Herausforderungen. Das alles geht nur, wenn man zusammenhält – ein bisschen, wie in einer großen Familie (natürlich gibt es da auch die Kategorien Schwiegermütter und –väter). Ein weiterer Aspekt, der die Arbeit interessant macht, ist die Vielfältigkeit unseres Amtes mit seinen ganz unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, insbesondere im Zentralbereich - ein Blick auf unser www.bamf.de lohnt sich. In unserem Amt bestanden immer viele Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung."

Wie lange arbeiten Sie bereits im Bundesamt?
"Seit dem 15.06.1993 08:30 Uhr – leider bin ich dort beim Pförtner 'vergessen' worden, aber nur vorübergehend."

Welche außergewöhnlichen Geschehnisse/Anekdoten sind Ihnen aus Ihrer Arbeit im BAMF in Erinnerung geblieben?
"Die Geschehnisse/Anekdoten unseres Amtes würden sicher Bücher füllen, ich möchte mich jedoch auf zwei beschränken:
Mitte 1998 übernahm ich die Leitung unsere hauseigenen Anwendungsentwicklung. Ein Jurist unter einer Vielzahl von IT-Spezialisten und ich gebe zu, dass ich gerade in den ersten Wochen wenig von dem verstanden habe, was meine Kolleginnen und Kollegen besprachen. In der zweiten oder dritten Woche hatten wir eine Besprechung mit einer externen Firma, die für uns seit Monaten ein Modul bereitstellen sollte: eine Viertelstunde habe ich dagesessen und fast kein Wort verstanden. Der externe Hauptentwickler berichtet von grundlegenden nahezu unlösbaren Problemen und unsere Spezialisten nickten nachdenklich. Nach –gefühlten- Stunden habe ich die Diskussion beendet, auf die vertraglichen Verpflichtungen hingewiesen und das Gespräch in Richtung bereits entstandener Schadensersatzansprüchen gelenkt – gut dass Blicke nicht töten können. Der Firmenvertreter erklärte sich hinsichtlich dieser Diskussion für unzuständig und wir einigten uns auf einen Termin mit dem Justitiar. Tatsächlich hat ein solches Gespräch nie stattgefunden, aber zwei Wochen später wurde das Modul fast fehlerfrei geliefert. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch nicht, für mich war es jedenfalls eine nachhaltige Erfahrung.


Eine Herausforderung der besonderen Art gab es Ende September 2015: Ich wurde gebeten beim Aufbau eines Lagezentrums mitzuwirken, am darauffolgenden Samstagnachmittag war ich bereits Leiter des Lagezentrums und zuständig für Aufbau/Betrieb von zwei Flüchtlingscamps mit je 5.000 Betten sowie einer Bearbeitungstrasse in der zusammen mit der Bundespolizei Flüchtlinge unmittelbar nach ihrer Einreise registriert werden. Im Laufe der nächsten Wochen kamen noch zwei weitere dazu. Für einen Verwaltungsbeamten eine - glaube ich – einmalige Herausforderung. Seit dieser Zeit weiß ich was 24 mal 7 Betriebsbereitschaft bedeutet: wir haben von Freitag- auf Samstagnacht eine Straße bauen lassen, sonntags kilometerweise Zäune gekauft und aufstellen lassen. Dabei habe ich die besondere Einsatzbereitschaft unserer Soldatinnen und Soldaten erleben dürfen, zeitweise waren 650 Bundeswehrangehörige für und mit uns im Einsatz. Probleme wurden nicht lange besprochen, sondern gelöst und sei es erst einmal durch Provisorien. Seit dieser Zeit habe ich auch eine Vorstellung von den Möglichkeiten und den Kompetenzen des THW. Ich habe bereits den besonderen Zusammenhalt im Bundesamt erwähnt, hierzu auch in diesem Zusammenhang ein kurzes Beispiel: eine Woche vor Weihnachten wurde deutlich, dass wir auch über die Weihnachtstage bis Neujahr unsere Registrierungskapazitäten auf 100 Prozent halten mussten. Einige Bundeswehrangehörige stornierten darauf ihren Urlaub, aber es reichte noch nicht. Eine kurzfristige Abfrage bei meinen Bundesamtskolleginnen und –kollegen löste eine wahre Welle an Unterstützung aus. Mitarbeitende aller Laufbahngruppen meldeten sich aus ganz Deutschland, um über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel an der deutsch-österreichischen Grenze Flüchtlinge zu registrieren. Weihnachten im Flüchtlingskamp – es war kalt, es war nass und wir standen in offenen Zelten, aber die Stimmung war gut."

Wie reagiert Ihr Freundes- und Bekanntenkreis, wenn Sie sagen, dass Sie beim BAMF arbeiten?
"Ach Gott, wie schafft ihr das alles."

Möchten Sie uns noch etwas mitteilen?
"In allen Bereichen, in denen ich tätig war, traf ich auf Handelnde, denen es bewusst war, dass wir über Schicksale wenn nicht gar über Menschenleben entscheiden. 'Den Menschen im Blick' - auch das macht die Tätigkeit im Bundesamt so einzigartig. Mein Dank gilt dem Engagement meiner Kolleginnen und Kollegen, denn alle diese Aufgaben können wir nur in einem starken Team bewältigen. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, aber wir suchen stets eine gemeinsame Lösung."