Wider den Papiertiger , Datum: 09.06.2023, Format: Interview, Bereich: Presse , Vorreiter BAMF mit digitaler Signatur und Siegel

(BS/Steffen Wölfel*) Trotz der durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) seit 2017 bestehenden Verpflichtung, Behördenleistungen online bzw. digital anzubieten, folgt in vielen Behörden nach einer elektronischen Antragstellung ein manueller Verwaltungsprozess, infolgedessen papierbasierte Bescheide an die Antragstellenden versandt werden. Ursächlich dafür ist das Schriftformerfordernis, das die eigenhändige Unterschrift voraussetzt.

Um einen vollständig digitalisierten Verwaltungsprozess zu erreichen, muss die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES) als rechtsgültiger Schriftformersatz verwendet werden. Sie entspricht demselben Vertrauensniveau wie die handschriftliche Unterschrift gemäß §3a VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz).

Die Einführung der QES und des digitalen Siegels

Vor Einführung des zentralen Signatur- und Siegelservices agierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vereinzelt mit Signaturkarten und -lesegeräten. Diese waren umständlich, unflexibel und nicht geeignet für mobiles Arbeiten. Die BAMF-IT entschied sich für die Einführung der ortsunabhängigen Alternative mit Fernsignatur und Fernsiegel.

QES Direktsignatur WorkflowGrößer darstellen Vorgang der Anbringung einer Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES) im "BAMF Signatur- & Siegelportal" Quelle: BAMF

Seit November 2022 ist es möglich, Bescheide und Schriftstücke digital zu unterzeichnen. Damit wurde für Verwaltungsverfahren nun auch der letzte Medienbruch abgeschafft und digitalisierte End-to-End-Prozesse erreicht.

Aufgrund eines hohen Aufwands nutzte das BAMF die Dienste der Bundesdruckerei bzw. deren Tochtergesellschaft D-Trust und des Herstellers SecCommerce zur Einführung einer zentralen, web-basierten Portallösung. Im regelmäßigen Austausch wird das "BAMF Signatur- & Siegelportal" auf interne Anforderungen angepasst und auf Aspekte der Usability, Barrierefreiheit, des Datenschutzes und der IT-Sicherheit geachtet.

Im Gegensatz zur QES, welche einer natürlichen Person zuzuordnen ist, ist das Qualifizierte Elektronische Siegel (QESiegel oder digitales Siegel) einer juristischen Person zuzuordnen. Als Herkunftsnachweis des Dokuments einer bestimmten Organisation wird es im BAMF bereits seit Juni 2022 angewendet. Seitens des Vertragspartners existierte noch keine Möglichkeit zur Nutzung des Fernsiegels, weshalb eine auf zwei Siegelkarten basierende Serverlösung eingerichtet wurde. Mit der geplanten Einführung des Fernsiegels wird auch hier der technologisch modernste Standard implementiert.

Features des "BAMF Signatur- & Siegelportals"

Die zu zeichnenden Dokumente werden in das Portal hochgeladen und der Signierungs-/ Siegelungsprozess nach Prüfung des Dokuments sowie der Signatur- bzw. Siegelposition durch den Nutzer ausgelöst. Ein wesentlicher Unterschied beider Funktionen liegt in der Authentifizierung der signierenden Person durch SMS-TAN oder Anruf. Die Portalnutzenden können die Signatur-/Siegelpositionierung via Drag & Drop in vordefinierten Annotationsfeldern oder mit Keywords durchführen. Bei Letzterem wird die Anbringungsstelle automatisch erkannt. Im Gegensatz zum Annotationsfeld benötigt die Nennung eines Keywords keine vorherige PDF-Bearbeitung und ermöglicht eine schnellere Automatisierung, weshalb es vom BAMF präferiert genutzt wird.

MoNa – ein gelungenes Beispiel für die Integration der Signatur- und Siegelfunktion

Neben der Nutzung des Signatur- & Siegelportals wird das BAMF die Signatur- und Siegelfunktionen in die Fachverfahren über Schnittstellen integrieren. Somit werden die Zeichnungsprozesse digital in der Fachanwendung ermöglicht. Die Pilotierung gelang bereits für die Anwendung "MoNa" (Mobile Nationale Kontaktstelle). Mithilfe von MoNa wird die rechtskonforme Verwaltung von Anträgen von Drittstaatsangehörigen für Studien- und Arbeitsaufenthalte in der EU ermöglicht. Zieht ein Studierender ohne Unionsbürgerschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat nach Deutschland, so stellt das BAMF dem Empfänger eine gesiegelte Berechtigung zur Einreise und zum Aufenthalt elektronisch zu. Durch die Schnittstellenintegration wird die Bescheinigung direkt nach der Erstellung in MoNa im Hintergrund gesiegelt und dort abgelegt. Ein Wechsel zwischen Portal und den Fachverfahren und der damit verbundene Up- und Download signierter bzw. gesiegelter Dokumente entfällt.

Ausblick: Mehrwert für die Verwaltung und ihre Kunden

Die Einführung von QES und QESiegel stellt eine Erfolgsgeschichte echter Ende-zu-Ende-Digitalisierung dar. Mit dem BAMF Signatur- & Siegelportal gelang es dem Bundesamt als erste Bundesbehörde einen Fernsignatur- und Fernsiegelservice anzubieten. Auf diese Weise wird die Verwaltungsarbeit erleichtert und ein Mehrwert für die Kunden der Behörde geschaffen. Bei gegebener elektronischer Zustellbarkeit können diese einen rechtsgültigen Nachweis digital empfangen und diesen sofort digital weiterverwenden.

Neben dem organisationsweiten Rollout des Portals und weiterer Fachverfahrensintegrationen plant das BAMF auch das Point-of-Sale-Identifizierungsverfahren (PoS-Ident) einzuführen. Damit wird ein zusätzlicher Service im Haus angeboten, welcher neuen Mitarbeitenden direkt bei Einstellung ihr individuelles Signaturzertifikat zuschreibt. Zudem wird geplant, den Signaturservice auch für Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner des BAMF zu öffnen. Insgesamt bringt der Signatur- & Siegelservice des Bundesamtes nicht nur einen Mehrwert für eine effizientere Verwaltungsarbeit nach innen, sondern stellt vor allem auch für eine gelungene, volldigitale Kommunikation nach außen einen essenziellen Baustein in der IT-Landschaft unserer Behörde dar.

*Steffen Wölfel ist IT-Projektleiter PKI & QES beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Der Artikel erschien im Behörden Spiegel in der Ausgabe Juni 2023.