Identitätssicherung und -feststellung im Migrationsprozess , Datum: 27.09.2017, Format: Meldung, Bereich: Migration und Aufenthalt , Vier Fragen und Anworten zu den Herausforderungen und Praktiken im deutschen Kontext

Das Thema der Sicherung und Feststellung der Identität spielt bei der Asylzuwanderung und bei der Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen aber auch bei Abschiebungen eine zentrale Rolle. Die neue EMN-Studie (s. rechte Spalte) beleuchtet, welche Methoden dabei von Behörden in der Praxis angewendet werden, auf welchen rechtlichen Grundlagen dies geschieht, wie mit den gewonnenen Daten umgegangen wird, aber auch, welche gesellschaftlichen und politischen Diskussionen und Standpunkte es zum Thema gibt.

Was ist der Unterschied zwischen Identitätssicherung und Identitätsfeststellung?

Identitätssicherung und Identitätsfeststellung sind zwei verschiedene Prozesse, die sich in der Praxis oft überschneiden. Bei der Identitätssicherung werden Merkmale einer Person wie biografische Daten, biometrisches Lichtbild und Fingerabdrücke zusammen unter einem Namen gespeichert. Das kennt jeder, der schon einmal ein Visum oder einen Pass beantragt hat.

Die Identitätsfeststellung hingegen soll die Frage beantworten: Ist die Person auch die Person, für die sie sich ausgibt? Stimmen die Angaben zu Name, Alter und Staatsangehörigkeit? Oder, wenn eine Person gar keine Angaben macht: Wer ist diese Person, wie heißt sie, aus welchem Staat kommt sie? Eine Identitätsfeststellung wird beispielsweise durchgeführt, bei einer Verkehrskontrolle der Polizei, oder eben wenn bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis beantragt wird, im Rahmen des Asylverfahrens oder bei der Vorbereitung von Abschiebungen, wenn Passersatzpapiere beschafft werden müssen.

Welche Methoden werden wann genutzt?

Bei einem Visumantrag wird die Identität von der Auslandsvertretung gesichert und von dieser und diversen deutschen Sicherheitsbehörden überprüft. Hierzu werden Fingerabdrücke und ein Lichtbild genommen und die Daten werden mit vorhandenen Datenbanken verglichen.

Soll einer Person eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, stellt die zuständige Ausländerbehörde die Identität der Person in der Regel durch den Abgleich mit einem vorgelegten Pass fest. Eine gesonderte Sicherung der Identität ist nicht nötig, da diese Daten schon im Visumverfahren gesichert wurden, das in der Regel vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis stattfindet.

Kommen Menschen nach Deutschland und beantragen Asyl, werden ihre biometrischen und biographischen Daten bei der Erstregistrierung gesichert. Das heißt bei der Ankunft in Deutschland werden Fingerabdrücke genommen und zusammen mit den persönlichen Daten in einer zentralen Datenbank gespeichert. Jede und jeder Asylantragsstellende erhält einen sog. Ankunftsnachweis, der eine Vielzahl dieser Daten enthält.

Im weiteren Verlauf des Asylverfahrens wird die Identität in der individuellen Anhörung näher geprüft. Das Ziel der individuellen Anhörung ist es, herauszufinden, ob die asylantragstellende Person auch tatsächlich in ihrem Herkunftsstaat verfolgt wird. Ob die Identität einer oder eines Asylantragsstellenden geklärt ist, ist dabei nicht das einzige Kriterium: Ausschlaggebend für eine Schutzgewährung ist die tatsächliche Verfolgung der antragstellenden Person in ihrem Herkunftsstaat. Wenn die Angaben der betroffenen Person zu ihrer Identität nicht mit den vom Herkunftsland ausgestellten Dokumenten (völlig) übereinstimmen, führt das nicht unbedingt zu einer negativen Entscheidung. Denn: Eine Fälschung von Reisedokumenten muss nicht heißen, dass Asylantragsstellende bewusst die deutschen Behörden täuschen wollen. Oft sind Fälschungen der einzige Weg zu fliehen, z. B. wenn der Herkunftsstaat Angehörigen der Opposition oder von Minderheiten keine Reisedokumente ausstellt. Das wird dem BAMF von den Geflüchteten meist selbst mitgeteilt.

Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stehen bei der Überprüfung von zweifelhaften Fällen verschiedene Methoden zur Verfügung, die von der Überprüfung von Reisedokumenten und anderen Unterlagen (auch durch physikalisch-technische Untersuchungen) über Sprachanalysen zur näheren Bestimmung der Herkunftsregion bis zum Auslesen von Mobiltelefonen reichen. Wenn sich herausstellt, dass Antragstellende im Rahmen des Asylverfahrens über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit bewusst gegenüber den deutschen Behörden täuschen oder bestimmte Angaben verweigern, wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, und die betreffende Person muss in der Regel Deutschland wieder verlassen.

Für die Durchführung einer Abschiebung müssen die Staatsangehörigkeit und Identität der ausreisepflichtigen Person eindeutig geklärt sein und die entsprechenden Reisedokumente vorliegen. Diese stellt das Herkunftsland nur aus, wenn die deutsche Behörde die Staatsbürgerschaft der Person feststellen konnte. Die Identitätsfeststellung wird in diesem Fall durch Gespräche mit der Person selbst, durch Recherchen in Identitätsdatenbanken, durch Nachforschungen von Vertrauensanwälten im Herkunftsstaat oder durch die Analyse der Sprache der betroffenen Person durchgeführt.

Neben diesen standardmäßig angewendeten Methoden gibt es noch besondere Methoden der Identitätsfeststellung. Eine solche ist zum Beispiel die Altersfeststellung bei Jugendlichen, die unbegleitet einreisen und bei denen sich ihr Alter nicht durch Dokumente belegen lässt. Oft schafft eine Einschätzung durch qualifizierte Experten (sog. Inaugenscheinnahme) Klarheit. Es gibt aber auch medizinische Methoden der Altersfeststellung, die aber zum Teil umstritten sind.

Wie werden die aufgenommenen Daten verarbeitet?

Wie die entsprechenden Daten verarbeitet werden, hängt davon ab, in welchem der oben beschriebenen Verfahren sie erhoben wurden.

Bei der Registrierung der Asylantragsstellenden werden ihre Daten im sog. Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert, auf das alle Behörden, mit denen die Antragstellenden im Laufe ihres Verfahren zu tun haben, zugreifen können. Welche Daten jeweils genutzt und ausgewertet werden, hängt von den Aufgaben der entsprechenden Behörde ab.

Bei der Beantragung eines Visums hingegen werden die personenbezogenen Daten sowohl im europäischen Visa-Informationssystem (VIS) gespeichert, auf das alle Mitgliedsstaaten der EU Zugriff haben, als auch auf nationaler Ebene in der sog. Visadatei.

Die gesetzlichen Grundlagen erlauben darüber hinaus die Einbindung der Sicherheitsdienste (z. B. des Bundesnachrichtendienstes, des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts, etc.), die die Daten noch einmal mit ihren Datenbeständen abgleichen können, um mögliche Sicherheitsgefährdungen zu erkennen.

Gemein ist allen Verfahren, dass das Speichern, das Verarbeiten und der Austausch der personenbezogenen Daten besonderen gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz unterworfen sind.

Identitätsfeststellung und -sicherung werden in der deutschen Politik und Gesellschaft zum Teil intensiv diskutiert. Welche Debatten und Entwicklungen stechen dabei besonders hervor?

Gerade in der ersten Jahreshälfte 2017 wurden in Politik und Öffentlichkeit verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit Identitätssicherung und -feststellung in Deutschland z. T. sehr kontrovers diskutiert. Als Konsequenz aus den Vorkommnissen um den Fall ‚Franco A.‘ und der Diskussion wurden im BAMF verschiedene Maßnahmen zur Qualitätssicherung angestoßen und umgesetzt.

Diskutiert wurden und werden aber auch neue Methoden, die zur Identitätsfeststellung angewendet werden. Gegenstand einiger Debatten war z. B. die automatisierte sprachbiometrische Software, die ergänzende Hinweise und Anhaltspunkte zur Überprüfung der Herkunft von Asylantragsstellenden geben kann, oder die Anwendung identitätssichernder Maßnahmen bei Kindern.

Mit dem ‚Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreispflicht‘ wurde für das BAMF die Möglichkeit geschaffen, Mobiltelefone und andere mobile Datenträger der Asylantragsstellenden auszuwerten. In der Debatte hierzu gingen die Meinungen stark auseinander: Während zum Beispiel zivilgesellschaftliche Organisationen oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Regelung äußerten, sprachen sich etliche Rechtsexperten/-innen dafür aus, dass solche Maßnahmen, solange sie nur als letztes Mittel und nur zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit dienen, rechtmäßig seien.

Die Studie "Identitätssicherung und -feststellung im Migrationsprozess – Herausforderungen und Praktiken im deutschen Kontext" steht in der rechte Spalte als Download zur Verfügung.