Wie beeinflussen EU-Richtlinien deutsche Rückkehrpolitik? ,
Mit der Rückführungsrichtlinie setzt die Europäische Union Standards und macht Vorgaben für die Rückkehrpolitik der Mitgliedsstaaten: Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zum Beispiel, die aufenthaltsrechtliche Situation für alle Personen möglichst eindeutig zu klären. Sie nennt auch Fristen, innerhalb derer ausreisepflichtige Personen selbstständig ausreisen können, bevor abgeschoben werden darf. Die Rückführungsrichtlinie wurde 2008 vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU beschlossen und Ende 2011 in deutsches Recht umgesetzt.
In der EMN-Fokusstudie wird die Rückkehrpolitik in Deutschland im Kontext europarechtlicher Vorschriften analysiert. Die Autorin der Studie, Paula Hoffmeyer-Zlotnik, erklärt, welche Bedeutung europäische Richtlinien für die Praxis haben.
Was hat sich mit der EU-Richtlinie in Deutschland geändert?
Die Rückführungsrichtlinie hat in Deutschland nicht zu einer kompletten Änderung der Rückkehrpolitik geführt. Aber es gab sehr wohl einige wichtige Änderungen: Zum Beispiel wurde festgeschrieben, dass alle Personen eine Ausreisefrist zwischen sieben und 30 Tagen gesetzt bekommen; zuvor stand die Dauer im Ermessen der Mitgliedstaaten. Eine Folge der Richtlinie ist es auch, dass Abschiebungshaft nunmehr nur in speziellen Abschiebungshafteinrichtungen – und nicht in regulären Gefängnissen – durchgeführt werden darf. Auch wurde durch die Richtlinie die Pflicht eingeführt, dass Ausländerbehörden vor der Rückführung eines unbegleiteten Minderjährigen sicherstellen müssen, dass er oder sie im Zielstaat an einen Verwandten oder eine geeignete Einrichtung übergeben wird. Da das in der Praxis schwer zu realisieren ist, führt das dazu, dass unbegleitete Minderjährige in der Regel nicht aus Deutschland abgeschoben werden.
Grundsätzlich gibt die EU-Richtlinie einen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten bewegen können. Ein Beispiel hierfür ist die Anordnung von Abschiebungshaft: Laut Rückführungsrichtlinie darf die Haft für maximal sechs Monate angeordnet und dann in Extremfällen um weitere 12 Monate verlängert werden. In Deutschland wird Haft in der Regel für drei Monate angeordnet.
Hervorzuheben ist, dass die Staaten bei allen Regelungen frei sind, höhere Schutzstandards für die betroffenen Personen zu gewähren. So können die einzelnen Mitgliedstaaten beispielsweise auch beschließen, irregulär aufhältigen Personen ein Aufenthaltsrecht zu erteilen, die Richtlinie lässt das zu. In Deutschland ist das allerdings nur unter ganz bestimmten Bedingungen möglich, zum Beispiel für Personen, die schon seit Langem geduldet sind oder die Opfer von Menschenhandel geworden sind.
Was sind die Herausforderungen in der Umsetzung der EU-Richtlinie?
Eine Herausforderung – auch beim Erstellen der Studie – ist sicherlich, dass die Rückkehrpolitik in Deutschland föderal organisiert ist: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft Asylanträge und fördert unter anderem mit dem REAG/GARP-Programm auch Personen bei ihrer freiwilligen Rückkehr; alle anderen Entscheidungen aber – zum Beispiel über die praktische Organisation der Ausreise – werden von den Bundesländern getroffen und durchgeführt. Das heißt, "die" deutsche Rückkehrpolitik gibt es eigentlich nicht. Mit Initiativen wie dem Gemeinsamen Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr wird jedoch zunehmend versucht, die Bundesländer bei der Organisation von freiwilliger und zwangsweiser Rückkehr zu unterstützen und so Prozesse auf Bundesebene zu zentralisieren.
Wie entwickelt sich die EU-Politik weiter?
Die EU-Kommission hat im März 2017 eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten veröffentlicht, die zum Ziel hat, die Zahl der tatsächlichen Ausreisen von ausreisepflichtigen Drittstaatsangehörigen zu erhöhen, zum Beispiel nach einer Ablehnung im Asylverfahren. Das soll vor allem durch eine restriktivere Auslegung der Rückführungsrichtlinie geschehen, indem beispielsweise nur das Minimum von sieben Tagen für die selbstständige Ausreise gewährt wird. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es oft nicht die rechtlichen Regelungen sind, die einer Rückkehr im Wege stehen, sondern praktische Hindernisse – zum Beispiel weil die Organisation einer freiwilligen Ausreise länger dauert oder weil die Ziel- beziehungsweise Herkunftsstaaten keine Reisedokumente ausstellen. Auch deshalb versucht die EU derzeit verstärkt, durch Verhandlungen Druck auf diese Staaten auszuüben. In manchen Fällen wird zum Beispiel die Gewährung von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit an die Bereitschaft zur Rücknahme der eigenen Staatsangehörigen geknüpft.
Aus der Studie: Herausforderungen bei der freiwilligen Rückkehr
Herausforderungen | Maßnahmen |
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Zu kurze Frist |
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Untertauchen während der Frist | Frühestmögliche Information über die Rechtsfolgen einer Abschiebung (längere Wiedereinreisesperre, Pflicht zur Kostenübernahme) und des Untertauchens mit dem Ziel, die betroffene Person von einer freiwilligen Ausreise zu überzeugen. Dies geschiet auf Bundesebene:
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