Rückkehrberatung: Pilotprojekte und Best-Practice , Datum: 10.07.2017, Format: Meldung, Bereich: Behörde

Vier Männer sitzen nebeneinander auf einer Bühne. Die Speaker v. l.: Friedrich Einwich (Diakonisches Werk Trier), Knut Holm (Direktorat für Einwanderung Norwegen), Horst Finé (Landesverwaltungsamt Saarland) und Moderator Dr. Axel Kreienbrink (BAMF-Forschungszentrum) Quelle: BAMF | L. Thiem

Frühzeitige Beratung, Einbindung des Umfelds und die Zusammenarbeit mit NGOs – Vertreter aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Norwegen stellten Pilotprojekte und ihre Ansätze in der Rückkehrberatung vor.

Frühzeitige Rückkehrberatung ist das A und O

Im Saarland startete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016 ein Pilotprojekt zur Integrierten Rückkehrberatung. Bis dahin gab es keine Rückkehrberatung des Landes. Horst Finé von der Zentralen Ausländerbehörde des Landesverwaltungsamts Saarland beschrieb das Pilotprojekt, wonach nun frühzeitig nach der Einreise Erstinformationen zur Möglichkeit der Rückkehrberatung vermitteln würden. Neben der persönlichen Beratung gebe es im Ankunftszentrum und der Ausländerbehörde Plakate und Informationsblätter, die über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr informieren. Die Informationsblätter sind dabei auf unterschiedliche Herkunfts- und Statusgruppen abgestimmt, etwa auf Personen aus sicheren Herkunftsländern, solche, die unter die Dublin-Verordnung fallen sowie auf Asylsuchende mit einer guten Bleibeperspektive. Schon bei der Anhörung werden die Asylbewerber nun auf die Möglichkeit einer Rückkehrberatung hingewiesen. 30 Prozent ließen sich anschließend beraten, 40-45 Prozent davon seien anschließend freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt.

Ein Mann spricht an einem Rednerpult Horst Finé von der Zentralen Ausländerbehörde des Landesverwaltungsamts Saarland Quelle: BAMF | L. Thiem

"Aufgrund der frühzeitigen Informationen hat sich eine relativ große Zahl der Asylbewerber zur Rückkehr entschlossen", betonte Finé. Die Bearbeitungsdauer läge im Durchschnitt bei zwei Wochen. Gerade bei Menschen aus dem Westbalkan folgten auf die Beratung zahlreiche freiwillige Ausreisen. Sogar 44 Syrerinnen und Syrer seien in ihr Herkunftsland zurückgekehrt.

Finé führte den Erfolg des Pilotprojektes auf die schnellen Prozesse, die enge Zusammenarbeit und die kurzen Wege zwischen den beteiligten Stellen zurück. Sehr wichtig sei, dass die Menschen im Ankunftszentrum über die Situation in ihren Herkunftsländern informiert werden und dass dort auch Alltagsfragen, wie zur Verfügbarkeit von Medikamenten, gestellt werden könnten. Beratung sei das A und O für eine gelingende Rückkehr. "Schwierig sind hingegen Rückführungen bei Altfällen, dort müssen zusätzlich Anreize für eine freiwillige Rückkehr geschaffen werden", betonte Finé.

Qualifiziertes Personal essentiell für individuelle Rückkehrberatung

Anders als im Saarland ist Rückkehrberatung in Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren staatlich gefördert und dabei dezentral organisiert. Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Bundesländern stellt zudem das Kompetenzzentrum Rückkehr dar. Es führt keine Rückkehrberatung für Rückkehrer durch, sondern berät und schult in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zahlreichen Rückkehrberatungsstellen in Sozialämtern, Ausländerbehörden und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) der einzelnen Kommunen zu Fragen der freiwilligen Rückkehr, wie Projektleiter Friedrich Einwich, Diakonisches Werk Trier und Simmern-Trarbach, ausführte.

Ein Mann spricht an einem Rednerpult Friedrich Einwich, Projektleiter im Kompetenzzentrum Rückkehr des Diakonischen Werks Trier Quelle: BAMF | L. Thiem

Die Vorteile liegen für Einwich auf der Hand: Qualifiziertes Personal sei essentiell für eine individuelle Rückkehrberatung und die Diakonie habe einen engen Kontakt zu den Beraterinnen und Beratern aus den verschiedenen Einrichtungen. Dadurch könne das Kompetenzzentrum schnell reagieren, Schulungsbedarfe eruieren und Anregungen direkt an das zuständige Ministerium weitergeben.

Das Diakonische Werk Trier und Simmern-Trarbach fungiert als Projektträger des Kompetenzzentrums, das von 2015 bis 2017 aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) gefördert und durch die Länder Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt kofinanziert wird. Die Kommunen erhalten im Rahmen der Landesinitiative Rückkehr im Jahr 2017 1,4 Millionen Euro, um Rückkehrmaßnahmen zu fördern. Seit 2017 werden aus der Landesinitiative auch Mittel für Rückkehrer bereitgestellt, die in Aufnahmeeinrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz untergebracht sind.

Die Landesinitiative ermöglicht dabei eine ergänzende oder ausschließliche Förderung zusätzlich zu den Rückkehrprogrammen des Bundes (insb. REAG/GARP). So wurde im Jahr 2014 die Rückkehr von 551 Personen aus Rheinland-Pfalz über REAG/GARP gefördert, während bei 824 Personen die Rückkehr ergänzend oder ausschließlich über die Landesmittel gefördert wurden. Im Jahr 2015 waren es 3.301 Personen, die über REAG/GARP gefördert wurden und 2.766 Rückkehrer, die über die Landesinitiative ergänzend oder ausschließlich gefördert wurden.

In Bezug auf die Reintegration riet Einwich, sich nicht nur auf die Arbeitsmarktintegration im Herkunftsland zu fokussieren. "Viele der Menschen sind traumatisiert, sie brauchen auch psychosoziale und medizinische Versorgung." In einzelnen Herkunftsländern könnten dafür Strukturen von NGOs vor Ort zusätzlich genutzt werden. Allerdings sei die Arbeit der NGOs oft schwierig, oft fehle die finanzielle Förderung.

Zwei Ansätze aus Norwegen

In Norwegen gibt es derzeit 109 Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete, dezentral organisiert und über das ganze Land verteilt. 13.400 Menschen leben in den Aufnahmeeinrichtungen und warten auf die Entscheidung, ob sie bleiben dürfen oder ins Herkunftsland zurückkehren müssen. Bei der Rückkehrberatung gebe es zwei Ansätze, erklärte Knut Holm vom norwegischen Direktorat für Einwanderung UDI: Eine Orientierungsberatung durch Mitarbeiter des UDI und die Beratung in den Aufnahmeeinrichtungen durch Personal vor Ort.
Beim ersten Ansatz bekommen alle Geflüchteten mit einem Negativbescheid eine individuelle Orientierungsberatung angeboten. Sie werden über ihre Rückkehrmöglichkeiten aufgeklärt und darüber, was passiert, wenn sie das Land, entgegen des Gesetzes, nicht verlassen.

Ein Mann spricht an einem Rednerpult Knut Holm erklärt zwei Ansätze der Rückkehrberatung in Norwegen: "Unser Ziel ist, dass sie informierte Entscheidungen treffen können und freiwillig zurückkehren." Quelle: BAMF | L. Thiem

"Auf Grundlage des Konzeptes des Motivational Interviewing haben wir eine Interviewmethode entwickelt, bei der Motivation im Mittelpunkt steht", so Holm. Dabei würden insbesondere zu Beginn des Beratungsgesprächs zunächst Alltagsfragen der Betroffenen geklärt und erst nach einiger Zeit das Gespräch auf die Rückkehrthematik gelenkt. Mithilfe dieser Technik sei es gelungen die gegenseitige Wertschätzung zu stärken, einen ganzheitlicheren Blick auf die Lebenssituation und Perspektive der potenziell Rückkehrenden zu werfen und bei vielen Betroffenen die Eigenmotivation zur Rückkehr zu stärken. Da in manchen Einrichtungen wenige Menschen zu einer Rückkehr ins Herkunftsland bereit waren, wurden zudem die Gemeinden, Ärztinnen und Ärzte sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialberater mit eingebunden. "Wir müssen in den Dialog treten und sie dort erreichen, wo sie kommunizieren, auch in den Sozialen Medien."

Im zweiten Ansatz werde seit 2017 allen abgelehnten Asylbewerbern ein individuelles Gespräch in den Aufnahmeeinrichtungen angeboten. Ziel sei die Aufklärung über den Negativbescheid und seine Konsequenzen: den aktuellen Status, seine Bedeutung und die Endgültigkeit des Verfahrens. Durch die Anwendung dieser beiden Methoden gäbe es eine höhere Zahl von Beratungsgesprächen in Norwegen, mehr freiwillige Rückkehrer und in der Summe mehr Rückkehrer als zuvor. "Die Kombination der beiden Ansätze sorgt dafür, dass die Menschen besser über ihre Rückkehrmöglichkeiten informiert sind", erläuterte Holm. Er hoffe, dass das Projekt fortgesetzt, die frühzeitige Beratung ausgedehnt und flexibler werde. "Unser Ziel ist, dass die Menschen informierte Entscheidungen treffen können und freiwillig zurückkehren anstatt durch die Polizei."