Internationaler Frauentag , Datum: 08.03.2018, Format: Meldung, Bereich: Integration , Dr. Delal Atmaca, Geschäftsführerin bei DaMigra e.V., spricht mit uns anlässlich des Internationalen Frauentages über das Frauenbild in Deutschland und darüber, was sie mit ihrer Arbeit bei DaMigra erreicht hat.

Der Dachverband der Migrantinnenorganisationen – DaMigra – agiert seit 2014 als bundesweiter herkunftsunabhängiger und Frauen*spezifischer Dachverband von Migrantinnen*organisationen. Der Verband wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge strukturell gefördert.

DaMigra e.V. setzt sich seit 2014 dafür ein, dass Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte in Deutschland gehört werden. Was war seitdem einer Ihrer schönsten Erfolge?

Auf politischer Ebene konnten wir in den letzten Jahren erreichen, dass Migrationsdebatten verstärkt das Thema Gender in den Fokus nehmen. Auch wenn das nach wie vor viel zu selten geschieht: Es ist Bewegung in die Debatte gekommen.
Was für uns aber genauso wichtig ist: DaMigra als Dachverband ist ein enorm wichtiges Sprachrohr. Das spiegeln uns viele geflüchtete Frauen* und Migrantinnen* in Veranstaltungen und politischen Diskursen. Die Frauen* schätzen die Vernetzung und die Stärkung, die sie durch uns erfahren.
Das überträgt sich auch ganz konkret auf unsere Arbeit. An unseren Standorten in ganz Deutschland gibt es geflüchtete Frauen*, die zunächst nur an unseren Angeboten und Formaten teilnahmen. Sie brachten sich mehr und mehr ein, gewannen an Stärke und Selbstbewusstsein. Einige von Ihnen waren bereits, andere wurden zu Frauenrechtlerinnen*. Heute arbeiten einige dieser Frauen* für uns. Sie sind zu Multiplikatorinnen* geworden und bestärken und vernetzen heute andere Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte. Wenn DaMigra heute eine Mittlerin* ist, um Frauen* zu qualifizieren, zu stärken und zu einem Sprungbrett für die berufliche Laufbahn von Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte wird, haben wir eines unserer politischen Ziele erreicht.

Welchen Beitrag können Migrantinnenorganisationen leisten, um die Teilhabe von Frauen im beruflichen, sozialen und auch politischen Leben zu verbessern.

Migrantinnen*organisationen tragen auf zwei Ebenen zur Teilhabe von Frauen* an der Gesellschaft bei: Einerseits sind sie Ansprechpartnerinnen* für die Migrantinnen* selbst. Durch Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt bieten sie einen diskriminierungsfreien Raum. Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte teilen dort Informationen und Erfahrungen, sie beraten und empowern. Andererseits sind Migrantenselbstorganisationen auch Expertinnen* für Sozial- und Teilhabepolitik. Sie weisen auf institutionelle und strukturelle Mehrfachdiskriminierungen hin und tragen dazu bei, dass diese sichtbar werden. Außerdem können sie Arbeitgeberinnen* auf mögliche Barrieren aufmerksam machen oder aufzeigen, wie Migrantinnen* gezielt angesprochen werden können.

Migrantinnen*selbstorganisationen leisten einen essentiellen Beitrag, unsere Gesellschaft gerechter und offener zu machen und erleichtern so die gesellschaftliche Teilhabe für Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte. Ihre Arbeit ist unersetzlich. Jetzt müssen von staatlicher Seite auch die Rahmenbedingungen für eine Professionalisierung dieser Arbeit geschaffen werden. Die meisten Organisationen arbeiten unter äußerst prekären Bedingungen. Sie brauchen eine öffentliche Anerkennung und staatliche Fördermittel, um ihre Arbeit aufrecht zu erhalten und auszubauen. Als Dachverband dieser Organisationen hoffen wir außerdem, dass wir gemeinsam gesellschaftliche, rechtliche und auch politische Rahmenbedingungen verändern können, damit Diskriminierungen nicht mehr stattfinden können. Denn eins ist klar: Jede Diskriminierung ist unrecht und wir wollen gemeinsam Unrecht bekämpfen.

Welche Themen wollen Sie 2018 gezielt angehen?

Unser Schwerpunkt für 2018 ist einerseits ein sehr aktuelles Thema "100 Jahre Frauenwahlrecht". Wo stehen wir heute? Welche Kämpfe haben Frauen* geführt? Was haben Frauen* erreicht und welche Kämpfe müssen noch geführt werden?

Andererseits wollen wir ganz konkret die nach wie vor existierende Arbeitsmarktdiskriminierung von Migrantinnen* in den Fokus rücken. Viele Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte waren in ihren Heimatländern berufstätig oder selbstständig. Im Zuge des Migrationsprozesses werden sie dann in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt und finden sich oft in traditionellen Geschlechterrollen wieder. Sie können sich und ihr Familien nicht mehr selbst versorgen, sind auf staatliche Hilfen angewiesen. Finden sie einen Arbeitsplatz, dann oft im Niedriglohnsektor oder im Care-Bereich – auch wenn ihre Qualifizierung eine ganz andere ist.

DaMigra will für diese Frauen* den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Wir wollen Migrantinnen* informieren und sie mit Vereinen und Verbänden, mit Unternehmen und möglichen Arbeitgeberinnen* vernetzen. Die Frauen* sollen ihre Fähigkeiten und ihre Expertise wieder einsetzen können und so mehr Unabhängigkeit gewinnen.

Gibt es eine Botschaft, die Sie Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zum Weltfrauentag mit auf den Weg geben möchten?

Ihr seid stark!

Ihr habt so viele Fähigkeiten, ein so umfangreiches Wissen. Euer Migrationsprozess ist kein Makel, er hat euch stärker und erfahrener gemacht. Bestärkt euch gegenseitig, tauscht euch aus, macht euch stark für eure Anliegen.

*Als intersektional feministisch denkender und handelnder Dachverband von und für Migrantinnen* in Deutschland verwendet DaMigra eine gendersensible Schreibweise mit Sternchen. Dies soll über Zweigeschlechtlichkeit (Frauen* und Männer*) hinausweisen und die tatsächliche Vielfalt von Geschlechtern symbolisieren.