EMN-Tagung: "Unbegleitete Minderjährige in Italien und der EU" , Datum: 23.05.2018, Format: Meldung, Bereich: Behörde , Konferenz der italienischen Kontaktstelle des Europäischen Migrationsnetzwerkes am 07. Mai 2018 in Rom

Die Konferenz der italienischen EMN-Kontaktstelle bot die Möglichkeit zum Austausch und zum Vergleich der Situation von jungen Geflüchteten in Italien und Deutschland.

An der Konferenz nahmen Akteure aus Ministerien, regionalen Behörden und Gerichten in Italien, aber auch Nichtregierungsorganisationen, Vertreterinnen und Vertreter der EU-Kommission und weiterer EMN-Kontaktstellen anderer europäischer Mitgliedstaaten teil. Paula Hoffmeyer-Zlotnik stellte für die deutsche nationale Kontaktstelle die Ergebnisse der EMN-Studie zu unbegleiteten Minderjährigen in Deutschland vor.

Auf dem Podium sitzen drei Frauen und ein Mann, die Leinwand hinter ihnen zeigt eine Präsentation. Enza Maria Leone (l.) spricht für das italienische Innenministerium über die Inhalte des neuen Gesetzes. Quelle: EMN|BAMF

Thema der Konferenz war unter anderem eine umfassende Gesetzesreform zu unbegleiteten Minderjährigen in Italien, die im Mai 2017 in Kraft trat (sog. "Zampa-Gesetz", benannt nach der italienischen Abgeordneten Sandra Zampa, die den Vorschlag für die Reform ins Parlament einbrachte). Mit der Reform wurde erstmals ein ganzheitlicher gesetzlicher Rahmen für die Betreuung und Versorgung unbegleiteter Minderjähriger in Italien geschaffen.

Gesetz mit Vorbildcharakter

Das Zampa-Gesetz setzt Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention um, darunter das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Bildung und rechtliche Garantien. Außerdem muss das Kindeswohl bei allen Maßnahmen vorrangig beachtet werden. Ähnlich wie in Deutschland gibt es in Italien ein zweistufiges System der Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen: Am Anfang steht dabei die Feststellung der Identität und die Altersfeststellung. Hierbei soll auch ermittelt werden, welche Maßnahmen im Sinne des Kindeswohls getroffen werden müssen. Nach spätestens 30 Tagen werden die unbegleiteten Minderjährigen einer speziellen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen. Mit der Reform wurde unter anderem hinsichtlich der Betreuung die Unterscheidung zwischen Minderjährigen, die einen Asylantrag stellen, und denen die dies nicht tun, aufgehoben: Alle unbegleiteten Minderjährigen werden nun gleich betreut. Nach Eintritt der Volljährigkeit gibt es wiederum Möglichkeiten, auch ohne Asylantrag weiter legal in Italien zu bleiben, zum Beispiel aufgrund einer Ausbildung. Darüber hinaus soll mit der Gesetzesänderung das Ernennen von Vormündern erleichtert und beschleunigt werden: Künftig sollen alle zuständigen Gerichte in Italien Listen mit Ehrenamtlichen führen, die bereit sind, die Rolle eines Vormundes zu übernehmen. Sie erhalten hierfür ein spezielles Training.

Vertreterinnen des Innenministeriums, die Gerichtspräsidentin des Gerichts für Minderjährige in Catania (Sizilien) und die Ombudsfrau für Kinder und Jugendliche in Italien stellten bei der Konferenz die wesentlichen Inhalte des Gesetzes vor. Dabei waren sich alle darin einig, dass das Gesetz Vorbildcharakter hat, auch für andere europäische Staaten.

Umsetzung des Zampa-Gesetzes

Momentan steht laut den Vortragenden die flächendeckende Umsetzung der Vorschriften im Vordergrund. So stehen beispielsweise circa 3.000 Plätze für unbegleitete Minderjährige in speziellen Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung – deutlich weniger als es eigentlich bräuchte. Auch eine bessere Koordination zwischen verschiedenen Akteuren auf der lokalen Ebene ist wichtig. Eine weitere Herausforderung ist die gleichmäßige Verteilung der unbegleiteten Minderjährige innerhalb Italiens.

Europäische Perspektive

Magnus Ovilius präsentierte als Vertreter der EU-Kommission die europäische Perspektive. Er wies auf den Vorschlag zur Neufassung der europäischen Verfahrensrichtlinie hin, der auch Neuerungen in Bezug auf die Altersfeststellung von unbegleiteten Minderjährigen enthält: Weigert sich eine Person, sich einer medizinischen Altersfeststellung zu unterziehen, so soll dies nach Ansicht der EU-Kommission Anlass zur Annahme der Volljährigkeit sein. Die Kommission unterstützt außerdem ein EU-weites Netzwerk von Vormündern und sieht noch Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten.

Schließlich wurden bei der Konferenz auch erste Ergebnisse des Syntheseberichtes der EMN-Studie zu unbegleiteten Minderjährigen vorgestellt, der im Sommer 2018 erscheint. Er vergleicht den Umgang der EU-Mitgliedstaaten mit unbegleiteten Minderjährigen nach der Klärung des Aufenthaltsstatus und nach dem Eintritt der Volljährigkeit. Ein erster interessanter Befund ist dabei, dass etwa die Hälfte der Mitgliedstaaten auch dem Übergang zur Volljährigkeit weitere Unterstützung gewährt. Der deutsche Beitrag zur EMN-Studie kann in der rechten Spalte heruntergeladen werden.