Entwicklungen in der Wohnsituation von Geflüchteten , Datum: 29.07.2020, Format: Meldung, Bereich: Asyl und Flüchtlingsschutz

Die Kurzanalyse 5|2020 des Forschungszentrums des Bundesamtes widmet sich Fragen der Entwicklung der Wohnsituation bei Geflüchteten von 2016 bis 2018 und deren Wohnwünschen und Umzugsplänen. Im Interview erläutert die Autorin zentrale Ergebnisse, auch unter dem Aspekt zeitlich befristeter Wohnsitzbeschränkungen.

Wie frühere Studien zeigen, hat die eigene Wohnsituation einen starken Einfluss auf die individuelle Lebensqualität. Die Forschung zur Wohnsituation von geflüchteten Menschen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Was wir bisher wissen, ist, dass im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen die Wohnsituation von Geflüchteten eine Besonderheit darstellt, da sowohl Wohnort als auch Unterkunftsart zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland gesetzlichen Bestimmungen unterliegen. So werden Asylsuchende nach ihrer Ankunft zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, ehe sie im Laufe ihres Asylverfahrens in kommunale Gemeinschaft- und Privatunterkünfte weiterverteilt werden und anschließend auf dem privaten Wohnungsmarkt nach Wohnungen suchen.

Die neue BAMF-Kurzanalyse 5|2020 knüpft daran an und untersucht nicht nur die allgemeine Wohnsituation von Geflüchteten, sondern zeigt auch etwaige Wohnpräferenzen und Mobilitätsaspirationen nach Auslaufen der Wohnsitzbeschränkungen auf. Hierfür werden Daten der ersten drei Wellen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 verwendet.

IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten

Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten wird vom Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) durchgeführt. Die erhobenen Daten erlauben Aussagen über die Gesamtheit der im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Januar 2016 nach Deutschland geflüchteten Personen, die einen Asylantrag beim Bundesamt gestellt haben. 2017 und 2018 werden die gleichen Personen noch einmal befragt, um Verläufe der Integration nachzeichnen zu können.

Dr. Kerstin Tanis, Autorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, erläutert im Interview die wichtigsten Ergebnisse der Analyse.

Wie hat sich die Wohnsituation von geflüchteten Menschen in den letzten Jahren entwickelt?

Eine Frau blickt in die Kamera. Dr. Kerstin Tanis Quelle: privat

Dr. Kerstin Tanis: Immer mehr Geflüchteten gelingt der Übergang von einer Gemeinschaftsunterkunft in eine private Wohnung. So hat sich der Anteil an Geflüchteten in privaten Wohnungen von 2016 auf 2018 von 54 Prozent auf 75 Prozent erhöht. Demnach lebten 2018 drei von vier Geflüchteten in einer privaten Wohnung. Während Geflüchtete mit Schutzstatus bereits 2016 hohe Anteile im privaten Wohnungsmarkt aufgewiesen hatten, konnten Geflüchtete mit anderem Aufenthaltsstatus (im Verfahren, mit Duldung, mit sonstigem Status) in den beiden Folgejahren aufholen. Diese Entwicklung kann zum einen durch fortschreitende Integration, mit der bessere Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt einhergehen, und zum anderen durch eine niedrigere Anzahl an neuankommenden Geflüchteten erklärt werden. Letzteres führt dazu, dass Kommunen eine geringere Anzahl an Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen und vermehrt auf freiwerdende kommunale Privatwohnungen umverteilen.
Geflüchtete, die eine Privatwohnung bewohnen, zeigen sich insgesamt zufriedener als Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Auf einer 10er-Skala von 0 "ganz und gar nicht zufrieden" bis 10 "ganz und gar zufrieden" bewerten sie ihre Zufriedenheit mit der Wohnsituation durchschnittlich mit 7 Punkten – wenngleich die Zufriedenheit im untersuchten Zeitverlauf leicht abgenommen hat.
Dabei ist die Zufriedenheit von bestimmten Faktoren abhängig: städtische Lage, hohes Sicherheitsgefühl in der Nachbarschaft, ein gewisses Maß an Ausstattungsmerkmalen oder eine als ausreichend beurteilte Wohnungsgröße.

Welche Rolle spielen gesetzliche Wohnsitzbeschränkungen für die Wohnsituation?

Dr. Tanis: Asylsuchende, Geduldete und Geflüchtete mit Schutzstatus unterliegen in Deutschland einer gesetzlichen Wohnsitzbeschränkung. Sofern keine Ausnahmeregelungen greifen, bedeutet dies für Geflüchtete mit Schutzstatus beispielsweise, dass sie ihren Wohnsitz für die Dauer von drei Jahren in jenem Bundesland zu nehmen haben, dem sie während ihres Asylverfahrens zugeordnet wurden. Die Bundesländer können nach eigenem Ermessen auch den genauen Wohnort zuweisen. Nach Ablauf dieser dreijährigen Wohnsitzbeschränkung kann der Wohnort schließlich bundesweit frei gewählt werden.
Für Geflüchtete mit Schutzstatus ist diese Regelung mit der Einführung des Integrationsgesetzes im Sommer 2016 in Kraft getreten. 2018 waren mit Ausnahme von Geduldeten weniger Geflüchtete von einer ortsgebundenen Wohnsitzbeschränkung betroffen als noch im Vorjahr. Grundsätzlich sei darauf verwiesen, dass 70 Prozent der Geflüchteten freie Wohnortwahl als sehr wichtig eingestuft haben.
Hinsichtlich der Wohnsituation zeigt sich, dass Geflüchtete, die einer Ortsbeschränkung unterlagen, seltener Privatwohnungen bewohnten als diejenigen, die lediglich von einer regionalen Beschränkung auf ein Bundesland betroffen waren oder freie Wohnortwahl besaßen.
Bei der regionalen Lage präferieren Geflüchtete, die von Wohnsitzbeschränkungen betroffen waren, städtische Regionen. So konnten sich 2018 weniger Geflüchtete, die ländlichen Regionen zugeordnet wurden, vorstellen, in diesen auch nach Wegfall der Wohnsitzbeschränkung zu leben. Die Umzugswahrscheinlichkeit ist in dem Fall sehr hoch.

Ein Blick in die Zukunft: Welche Entwicklungen sind bei einer freien Wohnortwahl zu erwarten?

Dr. Tanis: Legt man die Wohnwünsche und Umzugspläne zu Grunde, die die Geflüchteten in der Befragung geäußert haben, ist es wahrscheinlich, dass nach Auslaufen der zeitlich begrenzten Wohnsitzbeschränkungen vermehrt mit einer Verlagerung des Wohnortes in städtische Regionen zu rechnen ist, vor allem von Männern und Personen mit weiterführendem Schulabschluss.
Insgesamt deutet die Analyse darauf hin, dass Geflüchtete weiterhin im privaten Wohnungsmarkt Fuß fassen wollen – bevorzugt in städtischen Regionen.
Bei den hier betrachteten Merkmalen handelt es sich allerdings nur um geäußerte Pläne und Wünsche. Das tatsächliche Binnenwanderungsverhalten nach Aussetzen der Wohnsitzbeschränkungen – insbesondere von Geflüchteten mit Schutzstatus – sollte daher in weiterführenden Analysen genauer beobachtet werden.

Die vollständige BAMF-Kurzanalyse 5|2020 finden Sie nachfolgend.


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In der BAMF-Kurzanalyse 5|2020 des Forschungszentrums des Bundesamtes wird untersucht, wie sich die Wohnsituation bei Geflüchteten von 2016 bis 2018 entwickelt hat sowie welche Wohnwünsche und Umzugspläne Geflüchtete unter Berücksichtigung zeitlich befristeter Wohnsitzbeschränkungen äußern.