Virtuell unterrichten - Empfehlungen aus pädagogischer Sicht , Datum: 12.05.2020, Format: Meldung, Bereich: Integration

Aufgrund der Coronakrise erfolgte die Schließung aller Berufssprachkurse. Um die Teilnehmenden, Kursträger und Lehrkräfte in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen, weitete das BAMF seine Förderung auf digitale Lernangebote aus. Welche Besonderheiten das virtuelle Unterrichten in den Berufssprachkursen aufweist, welche Qualifizierungsangebote für E-Lehrkräfte bereitstehen und wie sich das Virtuelle Klassenzimmer aus pädagogischer Sicht inhaltlich gestalten lässt, erfahren Sie im folgenden Beitrag von Herrn Dr. Jens Behning.

Besonderheiten und Unterschiede:
Online-Tutorium – Virtuelles Klassenzimmer

Ein Online-Tutorium setzt häufig die Verwendung einer digitalen Lernplattform voraus, auf der Übungen, Medien und andere Unterrichtsmaterialien eingestellt sind und von angemeldeten (Kurs-)Teilnehmenden genutzt werden können. Online-Lernplattformen für das Sprachlernen beinhalten meist Aufgaben zum Selbstlernen auf jeweils spezifischen Sprachniveaustufen (zum Beispiel nach dem GER), durch die gezielt sprachliche Kompetenzen in den vier Fertigkeiten Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben gefestigt oder erweitert werden können. Meist beinhalten diese Übungsformate Funktionen zur automatischen Korrektur beziehungsweise das Anzeigen der erreichten Punkte oder der richtigen Lösungen. Durch ein Tutorium hat eine Lehrkraft die Möglichkeit, die Nutzerinnen und Nutzer der Online-Lernplattformen zu begleiten beziehungsweise zu unterstützen. Dies erfolgt beispielsweise durch das Korrigieren schriftlicher Texte, oder das Abhalten von Sprechstunden per Telefon. Maßgeblich basiert das Sprachlernen mittels Lernplattformen und Online-Tutorien auf dem Prinzip des selbstständigen Lernens, wobei ein relativ hohes Maß an Selbstdisziplin und Eigenmotivation notwendig ist. Alle Teilnehmenden arbeiten dabei meist zu einer beliebigen Tages- oder Nachtzeit und können sich nicht gegenseitig hören und sehen. Die Teilnahme ist für die meisten Tutorien bereits mit einem Smartphone möglich.

Beim Virtuellen Klassenzimmer findet im Unterschied zum Online-Tutorium mit Lernplattformen häufig eine Art Videokonferenz statt, bei der alle Teilnehmenden zur gleichen Zeit hör- und sehbar sind beziehungsweise sein können. Je nach verwendeter Software kann die Lehrkraft verschiedene Materialien, Übungen, Medien, virtuelle Whiteboards oder Bildschirme einblenden, um das Lernen der Kursteilnehmenden zu steuern beziehungsweise den Sprachlernprozess zu modellieren. Häufig ist auch die Lehrkraft beim Erklären und Sprechen zu sehen und Teilnehmende können eigene Sprechbeiträge einbringen und die der anderen Kursteilnehmenden hören, was dem Präsenzunterricht damit deutlich näherkommt als Online-Tutorien mit Lernplattformen. Somit ist auch ein Teil des sozialen Lernens in den BSK während der Unterbrechung des Präsenzunterrichtes und ein informeller Austausch sowohl zwischen Lehrkräften und Kursteilnehmenden als auch zwischen einzelnen Kursteilnehmenden möglich. Eine gewisse Affinität für technische Anwendungen (Erfahrungen mit Internetanwendungen, mit der verwendeten Soft- und Hardware und einen generellen Überblick über die damit verwendeten notwendigen Computereinstellungen) und eine grundlegende technische Ausstattung (vorzugsweise Tablet/Laptop, Headset und Kamera) der Teilnehmenden sind dabei Voraussetzung.

Qualifizierung von E-Lehrkräften:
Welche Möglichkeiten der Weiterbildung gibt es?

Sowohl für das Anleiten und Begleiten von Lerngruppen, die mit Lernplattformen arbeiten als auch für das Unterrichten im Virtuellen Klassenzimmer ist eine gewisse Einarbeitung notwendig, um sich über Möglichkeiten, Methoden, Kosten, Funktionen, Herausforderungen und Grenzen zu informieren. Daher wird die Teilnahme an Fortbildungen zum Online-Unterrichten, wie sie von vielen Institutionen größtenteils kostenlos angeboten werden (z.B. vom VHS-Lernportal oder dem Goethe Institut), dringend empfohlen. Auch sind zum Teil ausführliche Online-Tutorials über Youtube zur Nutzung bestimmter Online-Konferenzen und deren Tools (Adobe-Connect, Zoom, Skype, Microsoft Teams, GoToMeeting, u.a.) kostenlose und zum individuellen Einüben der Lehrkraft geeignete Möglichkeiten. Ein standardisierter Qualifikationsnachweis zum Verwenden von Online Tools in Sprachkursen ist nicht erforderlich.

Inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts im Virtuellen Klassenzimmer:  
Wie kann das gut gelingen?

Im Virtuellen Klassenzimmer sollte die Lehrkraft grundsätzlich für alle Kursteilnehmenden zu sehen und zu hören sein. Die Lehrkraft sollte zwischen verschiedenen Bildschirmen, die den Kursteilnehmenden angezeigt werden, didaktisch angemessen hin- und herwechseln. Um eine Überforderung insbesondere von eher lernungewohnten Teilnehmenden zu vermeiden, sollte mit diesen Wechseln zu Beginn sparsam umgegangen werden. So empfiehlt es sich in den ersten Unterrichtseinheiten sowohl für ungeübte Lehrkräfte als auch für Kursteilnehmende das Virtuelle Klassenzimmer schwerpunktmäßig zur mündlichen Kommunikation zu verwenden. Das Verwenden des bereits bekannten Lehrwerkes in digitaler Form beziehungsweise von Online-Materialien des herausgebenden Verlages erleichtert den Einstieg für Lehrkräfte und Kursteilnehmende ebenfalls. Sukzessive kann die Lehrkraft weitere Funktionen, Anwendungen und Bildschirmwechsel in den Unterricht integrieren. Eine kompetente Online-Sprachlehrkraft kann letztendlich zur Visualisierung, zur Veranschaulichung, zur Fehlerkorrektur, zum Kontextualisieren oder zum mehrkanaligen Lernen Materialien, Aufgaben, Texte, Bilder, Videos, oder Lern-Apps (Lernspiele wie kahoot, Socrative, Quizlet, und andere) einblenden und vor beziehungsweise mit den Teilnehmenden bearbeiten. Geübte Lehrkräfte kombinieren häufig das Virtuelle Klassenzimmer mit einer Lernplattform (trägerinterne Cloud, Moodle, Google Docs, und andere), um den Kursteilnehmenden Zugang zu den verwendeten digitalen Lehrwerken oder digitalen Verlagsangeboten zu ermöglichen. Durch das Einbinden von Clouds oder trägerinternen Lernplattformen können selbstständige Lernphasen und ein interaktives Hausaufgabenmanagement zielgerichtet eingesetzt werden.

Praxistipp: Über die gewählte Konferenzsoftware des Virtuellen Klassenzimmers kann auch eine Online-Beratung/Betreuung stattfinden, die sich insbesondere für Workshop-Arbeit, zum Aussprachetraining oder für lernorganisatorische Belange eignet.