Gerichtsstatistik 2020 , Datum: 29.03.2021, Format: Meldung, Bereich: Asyl und Flüchtlingsschutz

Asylverfahren: Corona-Pandemie wirkt sich auch auf Gerichtsentscheidungen aus

Der Anteil der Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der von den Verwaltungsgerichten nach einer Klage aufgehoben wurde, betrug im Jahr 2020 16,6 Prozent und ist damit im Vergleich zum Vorjahr (14,5 Prozent) leicht gestiegen. Die aktuellen pandemiebedingten Beeinträchtigungen, die sich auch in den Herkunftsländern der Antragstellenden zeigen, haben die Einschätzungen der Verwaltungsrichterinnen und -richter beeinflusst und beispielsweise dazu geführt, dass für Schutzsuchende durch die Gerichte nachträglich Abschiebungsverbote festgestellt wurden. Vorrangig betrifft dies mit 40 Prozent der positiven verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen das Herkunftsland Afghanistan.

Trotz dieser Entwicklung liegt die Quote weiter unter dem Niveau der Jahre 2017 und 2018. Im Jahr 2020 wurden mehr als 37,2 Prozent der Entscheidungen des Bundesamtes über Asylanträge von den Gerichten bestätigt.

Ursächlich für anderslautende Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können etwa geänderte persönliche oder sonstige sachliche Umstände sein, die sich während des Gerichtsverfahrens unter anderem deshalb ergeben haben, weil zwischen behördlicher und gerichtlicher Entscheidung ein längerer Zeitraum gelegen hat. Die beklagte Entscheidung des Bundesamtes lag zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung oftmals bereits mehrere Monate, teilweise aber auch einige Jahre, zurück. Daher kann die Beurteilung der Gerichte durch zwischenzeitliche Veränderungen, die das Bundesamt bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte - wie beispielsweise die Geburt von Kindern, aber auch Auswirkungen der Corona-Pandemie - zwangsläufig anders ausfallen als der ursprüngliche Bescheid des Bundesamts. Dies wirkt sich bei der gerichtlichen Entscheidung häufig zu Gunsten der Kläger aus.

JahrGerichtsentscheidungen über Asylanträgedavon Entscheidungen des BAMF aufgehobenAnteil
2020127.93221.25316,6 %
2019154.47922.35314,5 %
2018173.41629.70317,1 %
2017147.61632.52222,0 %
201670.9049.29913,1 %
201562.8282.6404,2 %
201440.7484.13010,1 %
201331.0754.01312,9 %

Hoher Anteil Klagen von afghanischen Schutzsuchenden

Auf Schutzsuchende aus Afghanistan entfiel die Hälfte aller nachträglich gerichtlich zuerkannten Abschiebungsverbote. Diese machen damit mehr als 75 Prozent der Gerichtsentscheidungen aus, die zugunsten von Klägerinnen und Klägern aus Afghanistan getroffen wurden. Hier zeigten sich vor allem Unterschiede bei der Einschätzung der Glaubhaftmachung im Einzelfall, insbesondere zu der Frage, ob Schutzsuchenden im Falle einer Rückkehr ein unterstützendes Umfeld zur Verfügung steht. Auch die pandemiebedingten Beschränkungen in den Herkunftsländern, die sich auf den Einzelfall auswirken können, haben bei der Einschätzung der Gerichte eine Rolle gespielt, insbesondere bei der Frage nach inländischen Fluchtalternativen.
Insgesamt bleibt der Fortgang der derzeit uneinheitlichen Rechtsprechungspraxis in Bezug auf die Bewertung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzuwarten.

46,2 Prozent der Entscheidungen der Gerichte entfielen auf so genannte "sonstige Verfahrenserledi­gungen". Hierunter sind Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme, wegen Nichtbetreibens des Verfahrens oder nach Abhilfeentscheidungen mit gleichzeitiger Klaglosstellung durch das Bundesamt zu fassen. In rund 95 Prozent dieser Fälle wurde keine Schutzgewährung festgestellt.

Ablehnende Bescheide: Drei von vier Bescheiden werden beklagt

Die absolute Zahl der Klagen gegen Bescheide des Bundesamtes korreliert mit der Zahl der Entscheidungen des Bundesamts und ist somit wie diese im Jahr 2020 rückläufig. Prozentual bewegt sich die Klagequote auf dem Niveau der beiden Vorjahre: Gut jeder zweite Asylbescheid wird beklagt, bei ablehnenden Entscheidungen sind es drei von vier Bescheiden. Diese Entwicklung ist vor allem auf die, im Vergleich zu früheren Jahren geringere Schutzquote zurückzuführen, denn je häufiger Entscheidungen des Bundesamts negativ ausfallen, desto häufiger werden sie beklagt. Rückschlüsse auf die Qualität der Asyl-Entscheidungen des Bundesamtes lassen sich aus der Zunahme der Klagequote ausdrücklich nicht herleiten.

Jahr

Entscheidungen über Asylanträge
insgesamtdavon beklagtabgelehntdavon beklagt
2020145.07145,1%82.60173,2 %
2019183.95449,5%113.62575,0 %
2018216.87353,6%140.90275,8 %
2017603.42849,8%341.78973,4 %
2016695.73324,8%261.81343,2 %
2015282.72616,1%141.81131,9 %
2014128.91140,2%88.34855,8 %
201380.97846,2%60.85057,0 %

Hinweis

Bei der vom Bundesamt veröffentlichten Gerichtsstatistik handelt es sich nicht um die amtliche Gerichtsstatistik. Diese wird vom Statistischen Bundesamt erstellt. Aufgrund der unterschiedlichen Zählweisen sind diese Statistiken nicht vergleichbar. Die Auswertungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind rein personenbasiert und werden aus dem bundesamtseigenen System MARIS generiert.