Ältere Geflüchtete in Deutschland , Datum: 30.04.2021, Format: Meldung, Bereich: Behörde , Eine kleine Personengruppe mit besonderen Herausforderungen

Die Kurzanalyse 5|2021 des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beschäftigt sich mit älteren Geflüchteten und ihren Lebenssituationen in Deutschland. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der familiären und sozialen Situation dieser Personengruppe, auch im Vergleich zu jüngeren Geflüchteten.

Die Studie basiert auf der dritten Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus dem Jahr 2018. Dabei handelt es sich um eine seit 2016 jährlich stattfindende Wiederholungsbefragung von Personen, die in den Jahren 2013 bis 2016 als Asylsuchende nach Deutschland gekommen sind. Die Gesamtstichprobe umfasst knapp 8.000 erwachsene Personen, die in den Jahren 2016, 2017 und 2018 mindestens einmal befragt wurden.

Im Interview beleuchtet die Autorin, Dr. Amrei Maddox, die wichtigsten Ergebnisse der Kurzanalyse.

Frau Maddox, wie gestaltet sich die Integration von älteren Geflüchteten in Deutschland – besonders im Vergleich zu Jüngeren?

Eine Frau lächelt in die Kamera. Dr. Amrei Maddox Quelle: privat

Maddox: Die Lebenssituationen älterer Geflüchteter, welche ich in meiner Kurzanalyse als Personen im Alter von 45 Jahren und älter definiert habe, ähneln sich in einigen Punkten denen jüngerer Geflüchteter. Ältere und jüngere Geflüchtete entsprechen sich zum Beispiel in ihren, nicht unerheblichen, Sorgen um ihr Asylverfahren und darum, nicht in Deutschland bleiben zu können. In anderen Punkten zeigen sich hingegen deutliche Unterschiede: Ältere Geflüchtete weisen nicht nur eine geringe Integration in vielen Bereichen auf, sondern sie schreitet über die Jahre auch langsamer voran. Dies ist vor allem bei den Deutschkenntnissen, sozialen Kontakten zu Deutschen, der Erwerbstätigkeit sowie Bildungsbeteiligung in Deutschland und, wie aus anderen Studien hervorgeht, auch bei der gesundheitlichen Verfassung der Fall. Hinzu kommt, dass sich die geringere Integration und ihr langsamerer Fortschritt in den älteren Kohorten noch deutlicher zeigen.

Und wie steht es um die familiäre Situation dieser Personengruppe?

Maddox: Die Familie scheint eine wichtige Rolle für ältere Geflüchtete zu spielen. So ist die deutliche Mehrheit von ihnen mit Familienangehörigen nach Deutschland eingereist. Und auch 2018 lebte der Großteil der älteren Geflüchteten mit Familienangehörigen in einem gemeinsamen Haushalt, zumeist mit dem Partner bzw. der Partnerin und Kindern. Nur knapp jede bzw. jeder Fünfte lebte allein. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Alterskohorten: Während die Gruppe der 45- bis 49-Jährigen meist als Paar mit Kindern lebt, dominieren bei den Geflüchteten im Alter von 60 Jahren und älter Paarhaushalte ohne Kinder und Ein-Personen-Haushalte. Insgesamt haben ältere Geflüchtete aber einen Vorteil gegenüber den Jüngeren und dabei vor allem gegenüber jüngeren Männern, die meistens allein leben. So kann die Familiensituation für ältere Geflüchtete oft eine wichtige stützende und soziale Funktion einnehmen. Diese scheint auch einen positiven Effekt auf ihr Wohlbefinden zu haben.

Wie äußert sich dieser positive Effekt auf das Wohlbefinden der älteren Geflüchteten konkret?

Maddox: Meine Analysen zeigen, dass ältere Geflüchtete sich mehr Sorgen um ihre Gesundheit und um ihre wirtschaftliche Situation machen als Jüngere. In Kombination mit der geringeren Erwerbstätigkeit und einem damit einhergehendem geringeren Einkommen sowie den geringeren Kontakten zu Deutschen, würde man erwarten, dass sich dies negativ auf ihre allgemeine Lebenszufriedenheit auswirkt und sie somit ein geringeres Wohlbefinden aufweisen. Dies wird in den Analysen nicht bestätigt. Tatsächlich unterscheiden sich ältere und jüngere Geflüchtete nicht in ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit. Vielmehr sind ältere Geflüchtete sogar mit ihrem Leben zufriedener als Jüngere, wenn man diese nachteiligen Faktoren aufseiten der Älteren berücksichtigt. Eine plausible Erklärung hierfür ist – und das deckt sich auch mit den Ergebnissen anderer Studien - dass die familiäre Situation hier eine schützende Funktion bei älteren Geflüchteten hat.


Lebenssituationen älterer Geflüchteter in Deutschland Format: Kurzanalyse, Dieser Download ist in weiteren Sprachen verfügbar

Die BAMF-Kurzanalyse 5|2021 gibt einen Einblick in die Sozialstruktur, die Umstände des Ankommens sowie die Lebenssituationen von in Deutschland lebenden Geflüchteten im Alter von 45 Jahren und älter.