Europaweit einzigartiges IT-Assistenzsystem unterstützt Entscheidende des Bundesamtes in Anhörungen , Datum: 17.02.2022, Format: Meldung, Bereich: Asyl und Flüchtlingsschutz

Bekomme ich in Deutschland Schutz? Gewissheit, ob sie dauerhaft hier leben und arbeiten dürfen, erhalten Geflüchtete mit der endgültigen Entscheidung über ihren Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft jeden Asylantrag sorgfältig auf Grundlage des Asylgesetzes. In jedem einzelnen Fall wird bewertet, ob einer der Schutzgründe, die den Verbleib in Deutschland ermöglichen, zum Tragen kommt. Dabei bildet die persönliche Anhörung das Kernstück des Asylverfahrens. Das vom Bundesamt entwickelte "Assistenzsystem für Anhörungen" (ASA) unterstützt Entscheiderinnen und Entscheider neuerdings bei der Durchführung der Anhörungen und trägt somit zur Qualitätssicherung des Anhörungsprozesses bei. Europaweit nimmt das Bundesamt mit diesem Assistenzsystem eine Vorreitertrolle ein.

Warum hat eine Person ihr Heimatland verlassen? Welchen Bedrohungen war oder ist die Person ausgesetzt und welche Gefahren birgt eine Rückkehr ins Herkunftsland? All diese Fragen gilt es während der Anhörung im Asylverfahren zu klären. Asylantragstellende erhalten hier die Möglichkeit, ihre jeweiligen Fluchtgründe und ihr Einzelschicksal ausführlich zu schildern. Die Entscheiderin oder der Entscheider des Bundesamtes befragt die antragstellende Person zu ihrem Lebenslauf und ihren bisherigen Lebensumständen, zur Fluchtroute und zum persönlichen Verfolgungsschicksal sowie zu drohenden Gefahren im Herkunftsland. Auf Grundlage dieser Angaben und der intensiven Überprüfung von persönlichen Dokumenten und Beweismitteln entscheidet das Bundesamt über den jeweiligen Asylantrag.

Bei ihrer Prüfung und Bewertung werden die Entscheiderinnen und Entscheider mit Informationen zu den Herkunftsländern unterstützt. Dadurch sind sie jederzeit umfassend über die aktuelle Situation vor Ort informiert. Seit neuestem können sich die Entscheidenden darüber hinaus mit Hilfe eines speziellen IT-Systems durch die Anhörung leiten lassen. Das IT-Assistenzsystem unterstützt bei der Vorbereitung und Nachbearbeitung einer Anhörung und leitet die Mitarbeitenden durch den kompletten Arbeitsablauf. So stellt das browserbasierte System beispielsweise alle verfügbaren und qualitätsgesicherten Informationen zu den wichtigsten Herkunftsländern zentral gebündelt digital bereit. Den Mitarbeitenden, die die Anhörungen durchführen, ermöglicht es damit einen vereinfachten Zugriff auf themen- und länderspezifische Zusatzdokumente und Fragestellungen. So können sie leichter als bisher auf vorgetragene Aspekte mit gezielten Nachfragen ad hoc reagieren oder diese mit gesicherten Informationen umgehend abgleichen.

Neben nutzerfreundlich aufbereiteten Informationen, die sowohl zur Vorbereitung einer Anhörung als auch zur Prüfung und Bewertung des Anhörungsprotokolls in der Nachbearbeitungsphase genutzt werden, bietet ASA den Mitarbeitenden eine Assistenz durch den gesamten Anhörungsverlauf. So stellt es beispielsweise nützliche Werkzeuge wie Datums- und Währungsrechner zur Verfügung, markiert offene Aufgaben und Fristen, überprüft die Anhörungsdaten auf Vollständigkeit, unterstützt einen Abgleich des vorgetragenen Sachverhalts mit dem Herkunftsländer-Leitsatz und ermöglicht die Niederschrift des Anhörungsprotokolls per Spracherkennung.

"ASA ist ein IT-Assistenzsystem, mit dem wir die Anhörungstätigkeit insgesamt wesentlich verbessern können",

ist Dr. Hans-Eckhard Sommer, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), überzeugt. "Wir haben uns für die Entwicklung und mit der Einführung ganz bewusst Zeit gelassen, um unseren Entscheiderinnen und Entscheidern ein System an die Hand zu geben, das gut funktioniert und einen echten Mehrwert in den Anhörungen bietet. Nun stellen wir es in allen Außenstellen zur Verfügung."

Seit Oktober 2018 lief ein Piloteinsatz an ausgewählten Standorten des Bundesamtes. In den vergangenen Monaten hatten dann 120 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ihre Kolleginnen und Kollegen in 47 Außenstellen im Umgang mit dem neuen, von Entscheiderinnen und Entscheidern selbst aktiv mitentwickelten Anhörungssystem geschult. Mit der im Dezember 2021 abgeschlossenen flächendeckenden Einführung des Assistenzsystems soll ein an einheitlichen Prozessschritten orientierter Anhörungsverlauf sichergestellt und eine hohe Anhörungsqualität über alle Standorte hinweg erzielt werden.

"Wir wollen mit ASA die Qualität unserer Anhörungen noch einmal auf eine neue Ebene heben. Zudem ist ASA so intuitiv gestaltet, dass ich fest davon ausgehe, dass wir insgesamt zu einer Verkürzung der Gesamtbearbeitungszeit der Asylverfahren kommen werden", sagt BAMF-Präsident Dr. Sommer. Insbesondere neueingestellten Entscheiderinnen und Entscheidern kann das Programm helfen, die anspruchsvollen Qualitätsstandards zu erfüllen und weitere Anhörungen aufgrund von unvollständigen Befragungen in der ersten Anhörung zu vermeiden.

Die Entwicklung und bundesweite Einführung des Assistenzsystems ist Teil der Digitalisierungsagenda des Bundesamtes und markiert einen Meilenstein innerhalb der Digitalisierung der Prozesse im BAMF. Zudem nimmt das Bundesamt mit seinem neuen Anhörungswerkzeug eine Vorreiterrolle in ganz Europa ein. "Es sind bereits Anfragen aus europäischen Partnerländern bei uns eingegangen", sagt ASA-Projektleiter Jochen Keller erfreut. "Unser System stößt auf reges Interesse und wird sicherlich einen Beitrag zur Weiterentwicklung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems leisten können."

In den kommenden Wochen soll das Assistenzprogramm im gesamten Bundesamt in den Regelbetrieb überführt werden. Dann gilt es im dauerhaften Praxiseinsatz Weiterentwicklungspotenziale zu erkennen und die Nutzerfreundlichkeit und Anwendungsmöglichkeiten durch technische Erweiterungen kontinuierlich auszubauen und zu steigern. So sollen etwa schrittweise auch für weitere Herkunftsländer umfangreiche Informationen integriert werden. Ziel ist es, herkunftslandspezifische Informationen und Vorgaben stets auf dem aktuellsten Stand zentral verfügbar zu halten und für jeden Entscheidenden jederzeit leicht zugänglich zu machen. Zudem soll das System künftig nicht nur wie aktuell in Erstverfahren zum Einsatz kommen, sondern auch weitere Anhörungsarten unterstützen.

"ASA ändert nichts an der Komplexität und Schwierigkeit der Aufgabe, zu einem Asylvorbringen die richtige Entscheidung zu treffen",

weiß BAMF-Präsident Dr. Sommer. "Wir möchten mit ASA unseren Entscheiderinnen und Entscheidern auch nicht den Ermessensspielraum nehmen oder die Verantwortung entziehen. Sondern wir unterstützen sie dabei, sich noch viel besser und fokussierter auf das Eigentliche konzentrieren zu können – auf die richtige Entscheidung."