Schritt für Schritt ankommen , Datum: 31.03.2022, Format: Meldung, Bereich: Behörde , Studie zeigt: (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sind überwiegend gut integriert

Je länger Personen mit (Spät-)Aussiedlerstatus bereits in Deutschland leben, umso besser ist ihre Teilhabe in vielen Bereichen. Idealerweise treffen sie zum Zeitpunkt der Zuwanderung bereits auf unterstützende Faktoren wie beispielsweise Sprachförderung. Je nach Herkunftsland unterscheiden sich die Integrationsfortschritte allerdings. Das sind nur einige Ergebnisse der Studie "Integration gelungen? Lebenswelten und gesellschaftliche Teilhabe von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern". Sie wird gemeinsam vom wissenschaftlichen Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) und dem Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) verantwortet.

(Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sind insgesamt gut in der Gesellschaft integriert: Ihre Arbeitsmarktbeteiligung ist hoch, das Bildungsniveau ähnelt dem der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund, ihr Durchschnittseinkommen liegt im mittleren Bereich und sie verfügen häufiger als andere Zugewanderte über Wohneigentum.

Den Stand ihrer Integration in Deutschland haben Forschende des SVR und des BAMF-FZ in einem gemeinsamen Projekt auf Basis von Daten des Mikrozensus (hauptsächlich des Jahres 2019) sowie des SVR-Integrationsbarometers aus den Jahren 2018 und 2020 untersucht. Dabei werden Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus sowohl mit Menschen ohne Migrationshintergrund als auch mit Personen mit eigener Migrationserfahrung verglichen. "Zusätzlich haben wir auch innerhalb der Gruppe der (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler selbst nach Geburtsländern differenziert. Damit lassen sich Besonderheiten herausfiltern, die bei der Gestaltung von Politik berücksichtigt werden können", erklärt Dr. Axel Kreienbrink, Gruppenleiter des BAMF-Forschungszentrums. "Damit knüpfen wir an eine erste Studie zu dieser Zuwanderungsgruppe an, die wir als BAMF-FZ bereits 2013 veröffentlicht haben."

Starke Identifikation, zahlreiche Kontakte zu Deutschen

"Wir konnten feststellen, dass sich Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus stark mit Deutschland identifizieren. Zudem pflegen sie zahlreiche Kontakte zu Deutschen ohne Migrationshintergrund und sprechen in ihrem Freundeskreis überwiegend Deutsch", erklärt Dr. Nils Friedrichs, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SVR. Das frühe Angebot etwa von Sprachkursen oder die Möglichkeit der Anerkennung von Bildungsabschlüssen eröffnete (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern bis in die Neunzigerjahre Teilhabe-Chancen, die anderen Zugewanderten und in Deutschland Geborenen mit Migrationshintergrund damals verwehrt blieben.

Rund 2,8 Millionen Aussiedlerinnen und Aussiedler kamen zwischen 1950 und 1992 nach Deutschland, seit 1993 noch einmal weitere 1,7 Millionen Spätaussiederinnen und Spätaussiedler. Damit sind sie eine der größten Migrationsgruppen. Als deutsche Volkszugehörige erhalten sie im Aufnahmeverfahren, anders als andere Zuwandernde, unmittelbar die deutsche Staatsangehörigkeit. Zugleich sind sie mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, wenn es darum geht, ihren Platz in der Aufnahmegesellschaft zu finden. Trotz der quantitativen Bedeutung innerhalb der Gesamtbevölkerung Deutschlands liegen bisher kaum Datensätze vor, die eine adäquate quantitativ-statistische Untersuchung ihrer gesellschaftlichen Integration ermöglichen.

Unterschiedlicher Integrationsgrad innerhalb der (Spät-)Aussiedlerbevölkerung

Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus sind in ihrem Integrationsprozess keineswegs homogen. Deshalb nimmt die Studie auch die Unterschiede je nach Geburtsland in den Blick. Besonders günstig sind die Indikatoren etwa im Bereich Bildung oder Arbeitsmarkt für diejenigen, die bis Ende der Achtzigerjahre zum Beispiel aus Polen und Rumänien zugewandert sind. Dagegen wird für die vor allem seit Beginn der Neunzigerjahre zugewanderte postsowjetische (Spät-)Aussiedlerbevölkerung ein teilweise geringerer Integrationsstand festgestellt.

"Ökonomisch gesehen befinden sich (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion in einer insgesamt etwas ungünstigeren Situation als andere Personen mit Migrationserfahrung", erläutert Johannes Graf, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter im BAMF-Forschungszentrum. "Sie haben vermehrt keinen berufsbildenden Abschluss, ihr Pro-Kopf-Einkommen ist niedriger, zudem sind sie häufiger von Altersarmut betroffen. Das betrifft vor allem die jetzt über 65-Jährigen und liegt unter anderem daran, dass ihre im Herkunftsland geleisteten Berufsjahre nur eingeschränkt als Rentenanwartschaft anerkannt werden", so Graf.

Auch bei der politischen Einstellung gibt es Unterschiede. Während (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler insgesamt eher den Unionsparteien nahestehen, neigen diejenigen aus dem postsowjetischen Raum auch stärker zur AfD und zur Partei Die Linke als die Vergleichsgruppen. Gleichzeitig zeigen sie ein geringeres Interesse an Politik.

Ein Prozess, der Zeit braucht

Ein Fazit der Studie lautet deshalb: Umfassende Teilhabe in der Gesellschaft ist ein Prozess, der Zeit braucht. "Nachfolgende Generationen stehen meist vor weniger großen Herausforderungen als Selbstzugewanderte und bei diesen macht die Aufenthaltsdauer einen entscheidenden Unterschied. Auch das Bildungsniveau ist wichtig: Höhergebildete postsowjetische Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus zeigen mehr Interesse an Politik, stehen Geflüchteten weniger ablehnend gegenüber und unterscheiden sich in vielen Aspekten nicht mehr von jenen aus anderen Herkunftsländern. Daher empfehlen wir, mehr in Bildung – und hier vor allem in politische Bildung – zu investieren", sagt Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR. Auch die Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Zuwanderung spielen eine Rolle. So hatten postsowjetische Zugewanderte schlechtere Startbedingungen, da ihre Deutschkenntnisse in der Regel geringer waren und just zur Zeit des verstärkten Zuzugs Mitte der 1990er Jahre Sprachkursangebote gekürzt wurden.


Integration gelungen? Format: Studie

Diese Studie beleuchtet auf Basis von Auswertungen des Mikrozensus und des SVR-Integrationsbarometers verschiedene Aspekte des aktuellen Stands der gesellschaftlichen Teilhabe von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern. Sie differenziert dabei nach den verschiedenen Herkunftsländern und -regionen dieser Zuwanderungsgruppe.