Ein Klub für alle , Datum: 06.04.2023, Format: Meldung, Bereich: Integration , Der Verein Athletic Sonnenberg stärkt mithilfe des Sports den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Offen, solidarisch, inklusiv. Der Chemnitzer Verein Athletic Sonnenberg will viel mehr sein als nur eine Gemeinschaft, die sportbegeisterte Menschen zusammenbringt. Sie wollen Brückenbauer zwischen den Kulturen sein und einen Ort schaffen, an dem sich Menschen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen.

Eine Mammutaufgabe für die beiden Gründer. Bislang haben sie und ihre Freunde alle Aufgaben ehrenamtlich erledigt, ganz ohne Unterstützung von außen. Das soll sich nun ändern. Seit diesem Jahr ist Athletic Sonnenberg Stützpunktverein des vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten Bundesprogramms "Integration durch Sport".

Im grellen Licht der Neonröhren sitzt Mustafa Mohamadi in einem Umkleideraum auf der Holzbank. "Musti" nennen ihn seine Freunde. Der 29-Jährige wirkt wie jemand, der selbst nicht ganz fassen kann, was in den vergangenen drei Jahren passiert ist.

Wie schnell aus einer Idee ein Verein mit 145 Mitgliedern werden konnte. 2020 gründete er zusammen mit seinem Freund Cornelius Huster einen Sportverein und sie gaben ihm den Namen "Athletic Sonnenberg". Benannt ist er nach dem Chemnitzer Stadtviertel, an dem das Herz der beiden Gründer hängt.

"Fußball war immer ein großes Thema für uns: Spiele, Trikots, Vereine", sagt Mustafa Mohamadi, "darüber haben wir oft stundenlang gesprochen." Jahrelang kickten die Zwei mit Freunden auf den Bolzplätzen der Stadt – und träumten von einem eigenen Verein. "Und jetzt reisen 120 Fans mit zu unseren Auswärtsspielen."

Sport als Brückenbauer

Wie groß die Aufgabe sein würde, die vor ihnen liegt, ahnten sie damals nicht. Zunächst brachten sie die Fußballer aus ihrem Freundeskreis zusammen. Viele von ihnen wohnen oder arbeiten "auf dem Sonnenberg", wie die Chemnitzer sagen. "Wir sind dann schnell gewachsen", erinnert sich Mustafa Mohamadi. So schnell, dass es heute, neben einer 1. und 2. Herrenmannschaft, auch eine Jugendmannschaft und ein Volleyballteam gibt. Auch der sportliche Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. In der letzten Saison ist die 1. Mannschaft in die Kreisliga aufgestiegen und hat sich dort an die Spitze gespielt. Nächstes Ziel: Kreisoberliga. Sogar Fanclubs gibt es schon. "Da stehen Menschen, die wir gar nicht kennen, an der Seitenlinie und feuern uns an", erzählt Mustafa Mohamadi und lacht, "das ist schon verrückt."

Das Miteinander im Kiez stärken

Sport, Kultur und soziales Engagement gehen in dem neu gegründeten Verein Hand in Hand. Gemeinsam wollen sie den Zusammenhalt der Menschen in Chemnitz und ganz besonders auch in ihrem Viertel stärken. So gibt es auf dem Sonnenberg jetzt einen Raum, den sie für Angebote nutzen können. Ideen gibt es viele: Kreativkurse, Hausaufgabenhilfe, Public Viewing. Doch das alles kostet Zeit und Kraft. Bislang haben sie alle Aufgaben – vom Trainer über den Social Media-Beauftragten bis hin zum Kassenwart – allein erledigt. "Jetzt müssen wir uns dringend professionalisieren und um Förderungen bemühen", sagt Cornelius Huster. Er steht heute nicht als Spieler, sondern als Trainer auf dem Platz. Seine Stimme schallt über den Rasen. Lob, Kritik und lautes Klatschen im steten Wechsel.

Ein Fussballtrainier beobachtet seine Mannschaft beim Training Cornelius Huster trainiert seine Teamkollegen. Fairplay und Teamgeist sind ihm dabei besonders wichtig. Quelle: © BAMF | Kristin Kasten

Im vergangenen Jahr nahm er am Modellprojekt des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und der Türkischen Gemeinde Deutschland "Bewegte Zukunft" teil, das die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen verbessern und migrantisch geprägte Sportvereine stärken soll. Als Stützpunktverein des vom BMI und BAMF geförderten Bundesprogramms "Integration durch Sport" werden sie nun vom Landessportbund Sachsen konzeptionell beraten, finanziell unterstützt und können an Fortbildungen teilnehmen. Wichtiges Wissen für einen Verein, der groß träumt. Ein eigener Trainingsplatz im Kiez wäre ein Anfang, da sind sich die Gründer einig.

Support und Motivation

Zusammenhalt ist auch Duc Le wichtig. Bei Athletic Sonnenberg hat er eine fußballerische Heimat gefunden – und neue Freunde, mit denen er nicht nur auf dem Platz, sondern auch nach dem Training und am Wochenende unterwegs ist. Die Vielfalt ist dem Verein wichtig. "Wir haben aus fast jeder migrantischen Kultur, die es in Chemnitz gibt, jemanden im Verein", sagt Cornelius Huster. Die Offenheit gegenüber verschiedenen Religionen, politischen Ansichten, körperlichen und psychischen Voraussetzungen oder auch der sexuellen Orientierung ist den Mitgliedern wichtig. "Aber Diversität und Inklusion sind auch Arbeit", sagt er. Dafür müsse man bereit sein: Andere Meinungen aushalten, den eigenen Standpunkt hinterfragen, ernsthaft zuhören.

Zwei junge Männer porträtieren auf einem Sportplatz Nicht nur auf dem Platz ein starkes Team: Duc Le Anh und Teamkollege Leonard Haubensak. Quelle: © BAMF | Kristin Kasten

Mehr als nur ein Fußballklub

Die siebzehn Männer, die heute im Schein der Flutlichter über den Kunstrasenplatz rennen, sind dafür bereit. Sie klopfen sich auf die Schultern, spornen sich an, geben sich Tipps – ganz ohne Gebrüll, unsportliche Rempler oder fiese Sprüche. Gemeinsam mit anderen Vereinen und Initiativen wollen sie nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits des Sports etwas bewegen. Das vom BMI und BAMF geförderte und vom DOSB koordinierte Bundesprogramm "Integration durch Sport" gibt ihnen dafür in den kommenden Monaten neue Impulse. Eine offene, tolerante und inklusive Gesellschaft ist möglich, davon sind die Männer überzeugt. Ganz nach dem Motto: Packen wir’s an – gemeinsam!

Text: Kristin Kasten

Junge Männer laufen über einen Sportplatz Gemeinsam etwas erreichen: Auf dem Platz und darüber hinaus. Quelle: © BAMF | Kristin Kasten