Welche Auswirkungen hat das Fachkräfte­einwanderungsgesetz? , Datum: 20.07.2023, Format: Meldung, Bereich: Behörde

Vielerorts in Deutschland fehlen Fachkräfte, ob im Gesundheitswesen, in der Pflege, im Handwerk oder in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Die anhaltend hohe Zahl unbesetzter Stellen verdeutlicht diesen Mangel. Um mehr Personen aus Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen, trat am 01. März 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) in Kraft. Das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) hat die Entwicklung der Fachkräftemigration und die Praxisauswirkungen des FEG von 2021 bis 2022 untersucht und präsentiert nun seine Ergebnisse.

Das FEG zielt darauf ab, die Zuwanderung von Fachkräften aus Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (sogenannte Drittstaaten) zu vereinfachen und zu beschleunigen. Im Rahmen der Begleitforschung zum FEG hat das BAMF-FZ Daten aus der Visastatistik und dem Ausländerzentralregister ausgewertet und qualitative Interviews mit Behördenmitarbeitenden im In- und Ausland geführt. Die Ergebnisse der Begleitforschung fasst der neue Forschungsbericht zusammen. Im Interview stellen Eugenie Becker, Barbara Heß und Johannes Graf, wissenschaftliche Mitarbeitende im BAMF-FZ, die gewonnenen Erkenntnisse vor.

Welche Auswirkungen hatte das FEG auf die Zuwanderung nach Deutschland?

Ein Mann lächelt in die Kamera. Johannes Graf Quelle: © BAMF

Johannes Graf: Mit dem FEG wurden einige rechtliche Erleichterungen für den Zuzug von Drittstaatsangehörigen eingeführt, die in Deutschland eine Erwerbstätigkeit oder eine Bildungsmaßnahme aufnehmen wollen. Dies betraf vor allem nicht-akademische Fachkräfte mit Berufsausbildung, für die die Möglichkeit einer Zuwanderung zuvor weitestgehend auf bestimmte "Engpassberufe" beschränkt war. Auch den Zuzug für die Anerkennung eines ausländischen Abschlusses oder die Aufnahme einer Berufsausbildung hat das FEG erleichtert.

Allerdings wurden fast zeitgleich mit Inkrafttreten des Gesetzes auch die ersten Einreisebeschränkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie eingeführt. Diese haben in der Folge etwaige positive Effekte des Gesetzes bei weitem überlagert. Die statistischen Daten, die wir für unseren Forschungsbericht ausgewertet haben zeigen, dass die Bildungs- und Erwerbsmigration im Jahr 2020 deutlich zurückgegangen ist. Speziell die Lockerung der Einreisebeschränkungen für geimpfte Personen im Juni 2021 führte dazu, dass die Zuwanderung zu Bildungs- und Erwerbszwecken seitdem wieder ansteigt. Sie weist jedoch immer noch ähnliche Strukturen auf wie vor dem FEG: Internationale Studierende, Personen mit einer Blauen Karte EU und solche mit Titeln im Rahmen der Westbalkanregelung sind die wichtigsten Gruppen. Personen in Anerkennungsmaßnahmen oder in Berufsausbildung sowie nicht-akademische Fachkräfte allgemein gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Die ebenfalls neu durch das FEG eingeführten Möglichkeiten zur Ausbildungsplatzsuche und zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte mit Berufsausbildung werden nach wie vor noch wenig genutzt.

Was funktioniert und wo besteht noch Optimierungsbedarf?

Eugenie Becker: Unsere Interviews mit Mitarbeitenden in Ausländerbehörden und deutschen Auslandsvertretungen zeigen, dass das beschleunigte Fachkräfteverfahren gut angenommen wurde und die in einigen Bundesländern dafür eingerichteten zentralen Ausländerbehörden durch die Bündelung von Fachkompetenzen zur Beschleunigung der Verfahren beitragen. Allerdings gibt es laut den Befragten noch Verbesserungspotenzial bei den Abläufen. Ein wesentlicher Punkt ist die mangelnde Personalausstattung, die in vielen Behörden dazu führt, dass die Anträge sich stauen. Vielerorts blieb auch zu wenig Zeit für die Einarbeitung in die neuen Verfahren.

Trotz der eingeführten Erleichterungen wird die Fachkräftezuwanderung außerdem durch die teilweise noch sehr aufwendigen Anerkennungsverfahren ausgebremst. Bei akademischen Fachkräften ist die Anerkennung durch die Nutzung der Plattform anabin i. d. R. zügig möglich, da diese eine Prüfung der dort hinterlegten Hochschulabschlüsse erlaubt. Bei beruflichen Abschlüssen dauert die Prüfung hingegen oft mehrere Monate. Die fortschreitende Digitalisierung trägt dazu bei, dass verschiedene Dokumente bereits digital verschickt werden können, was sowohl das Anerkennungs- als auch das Antragsverfahren erleichtert. Diese Möglichkeiten des digitalen Austausches wurden sehr gelobt. Allerdings ist die technische Ausstattung nicht überall ausreichend, weshalb Originaldokumente oft noch mit der Post verschickt werden müssen. Hier herrscht also noch Nachhol- bzw. Ausbaubedarf. Dies erleichtert dann auch die Kommunikation innerhalb und zwischen den Behörden, was wichtig für eine schnelle Bearbeitung von Anträgen ist.

Wie blicken Sie auf das aktuelle Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, welches der Bundestag im Juni 2023 beschlossen hat?

Eine Frau lächelt in die Kamera. Barbara Heß Quelle: © BAMF

Barbara Heß: Unser Begleitforschungsprojekt hatte zum Ziel, die durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 eingeführten Regelungen zu untersuchen. Auf Basis unserer Interviews, die 2021/2022 stattfanden, können wir daher die aktuell beschlossenen Gesetzesänderungen nicht im Detail bewerten. Grundsätzlich bestand jedoch seitens der befragten Behördenmitarbeitenden damals schon der Wunsch nach einer Erweiterung bzw. Vereinfachung der gesetzlichen Zuwanderungsmöglichkeiten. Einige der in unseren Interviews angesprochenen Vorschläge finden sich auch im aktuellen Gesetz wieder, wie z. B. die erweiterten Zuwanderungsmöglichkeiten auf Basis der Berufserfahrung. Grundsätzlich geht das sicherlich in die richtige Richtung.

Zugleich hat unsere Forschung gezeigt – und das wird auch bei dem aktuellen Gesetz viel diskutiert –, dass der gesetzliche Rahmen nicht das allein entscheidende Erfolgskriterium ist, sondern die "untergesetzlichen" Prozesse eine wichtige Rolle spielen. Digitalisierung, Personalausstattung der Behörden, eine ausreichende Einarbeitungszeit und kommunikative Abläufe sind wesentlich mit dafür verantwortlich, ob dem zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschland wirksam durch Bildungs- und Erwerbsmigration aus Drittstaaten begegnet werden kann.

Entwicklung der Fachkräftemigration und Auswirkungen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens Format: Forschungs­bericht

Das in den Jahren 2021 und 2022 durchgeführte Begleitforschungsprojekt "Entwicklung der Fachkräftemigration und Auswirkungen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens" hatte zum Ziel, einen Überblick über die Entwicklung der Fachkräfteeinwanderung seit Inkrafttreten des FEG am 1. März 2020 zu geben und zu ermitteln, wie die neuen Regelungen angewendet wurden, welche Herausforderungen noch bestehen und ob sich hierdurch die Fachkräfteeinwanderung nach Deutschland attraktiver gestaltet.