Zufriedene Lehrkräfte im Integrationskurs, trotz herausfordernder Ausgangslage , Datum: 27.10.2023, Format: Meldung, Bereich: Integration

Der Zwischenbericht III aus dem Forschungsprojekt "Evaluation der Integrationskurse (EvIk)" liefert datenbasierte Einblicke in das Geschehen in Integrationskursen. Im Interview stellen die wissenschaftlichen Mitarbeitenden Ramona Kay, Dr. Salwan Saif und Dr. Christian Babka von Gostomski vom Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) zentrale Ergebnisse der Befragungen von Kursteilnehmenden, Lehrkräften und Kursträgern vor.

Im Rahmen des EvIk-Projekts gelang es, von Herbst 2021 bis Frühling 2022 rund 3.000 Teilnehmende, 350 Lehrkräfte und 200 Träger zu Beginn der Integrationskurse zu befragen. Der Fokus lag dabei auf den häufigsten zwei Kursarten: dem Allgemeinen Integrationskurs und dem Alphabetisierungskurs. Die Befragungen sind Teil wiederholter Erhebungen im langfristig angelegten EvIk-Projekt. Ziel ist es, Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung des Integrationskurssystems aufzuzeigen.

Herr Dr. Saif, wie unterscheiden sich die Teilnehmenden an den Allgemeinen Integrationskursen von denen an Alphabetisierungskursen? Und lassen sich zu diesem Zeitpunkt bei bestimmten Teilgruppen bereits besondere Herausforderungen hinsichtlich des Lernens erkennen?

Ein Mann lächelt in die Kamera. Dr. Salwan Saif Quelle: © BAMF

Dr. Salwan Saif: Die Teilnehmenden an Alphabetisierungskursen sind im Durchschnitt älter, mit einem höheren Anteil an Männern über 60 Jahren. Zudem hat fast die Hälfte der Teilnehmenden keine Schule besucht, was sich in einer geringen Erfahrung mit gesteuertem Sprachenlernen im Unterricht und einem hohen Anteil an primären Analphabetinnen und Analphabeten widerspiegelt. Teilnehmende an Alphabetisierungskursen sind außerdem häufiger verheiratet, leben jedoch auch öfter örtlich getrennt von ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin. Durchschnittlich leben sie mit mehreren Personen in einem Haushalt, was auf eine höhere Anzahl von Kindern im Haushalt zurückzuführen ist. Zudem konnten wir feststellen, dass Teilnehmende des Alphabetisierungskurses doppelt so häufig einen Fluchthintergrund wie Teilnehmende des Allgemeinen Integrationskurses haben. Dies zeigt sich im Alphabetisierungskurs auch durch eine stärkere Konzentration auf wenige, für die Fluchtmigration typische Geburtsländer, wie etwa Syrien, Afghanistan und dem Irak. Da ein Großteil der Alphabetisierungskursteilnehmenden über einen Fluchthintergrund verfügt, der mit speziellen Problemlagen, wie etwa Traumata einhergehen kann, sind entsprechend qualifizierte Lehrkräfte wichtig. Insgesamt lässt sich also eine Konzentration von multiplen Problemlagen und damit verbundene Herausforderungen für Lehrkräfte im Alphabetisierungskurs feststellen.

Das klingt nach einer schwierigen Ausgangssituation für Lehrkräfte, insbesondere zu Beginn der Alphabetisierungskurse. Schlägt sich das in ihrer Zufriedenheit mit dem Beruf nieder? Und welche wichtigen Erkenntnisse zu Lehrkräften konnten Sie aus Ihrer Befragung noch gewinnen?

Dr. Christian Babka von Gostomski: Insgesamt geben die Lehrkräfte eine große Zufriedenheit mit ihrem Beruf an. 89 Prozent der Lehrkräfte im Alphabetisierungskurs und sogar 97 Prozent der Lehrkräfte Allgemeiner Integrationskurse sind mit ihrem Beruf zufrieden. Will man weitere Erkenntnisse zu den Lehrkräften zusammenfassen, kann man dies folgendermaßen schlagwortartig umreißen: weiblich, ethnisch vielfältig und hoher Altersdurchschnitt. Denn drei Viertel der Lehrkräfte von Integrationskursen sind weiblich. Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte Allgemeiner Integrationskurse nennt als Geburtsland Deutschland, bei den Lehrkräften in Alphabetisierungskursen sind es weniger als die Hälfte, viele haben also einen Migrationshintergrund. Und mehr als jede zweite Lehrkraft ist 50 Jahre oder älter. Interessant finde ich zudem, dass zum Zeitpunkt der Befragung, also Ende 2021 / Anfang 2022, die Lehrkräfte in der Regel Erfahrungen mit virtuellem Unterrichten und dem Einsatz digitaler Medien hatten. Die Mehrheit der Lehrkräfte versucht auch, digitale Medien häufig in die Unterrichtsgestaltung zu integrieren, hält aber die Vermittlung von Sprachkenntnissen allein mit digitalen Unterrichtsformen und gänzlich ohne Präsenzunterricht für nicht möglich.

Sie haben auch Träger befragt, die Allgemeine Integrationskurse oder Alphabetisierungskurse anbieten. Gibt es Erkenntnisse darüber, welche Zusatzangebote die Träger für die Kursteilnehmenden haben?

Porträtfoto einer Frau. Ramona Kay Quelle: © BAMF

Ramona Kay: Viele Träger bieten mindestens ein Zusatzangebot an, wie z.B. eine Sozialberatung für Migrantinnen und Migranten in Deutsch oder der Erstsprache oder Räume zum Selbststudium. Häufig ist auch die Migrationsberatung für erwachsene Zuwandernde vor Ort oder fußläufig erreichbar. Eine Kinderbetreuung oder Kinderbeaufsichtigung wird hingegen mehrheitlich nicht angeboten. Als Gründe hierfür nennen die Träger häufig fehlende Räumlichkeiten, hohe bürokratische Hürden und einen Mangel an geeignetem Personal. Hinsichtlich der Kinderbetreuung möchte ich noch auf eine Erkenntnis aus der Befragung der Kursteilnehmenden hinweisen: Die Analysen deuten darauf hin, dass die Kinderbetreuung in der Regel von den Frauen übernommen wird – und Frauen tendenziell erst dann den Weg in den Kurs finden, wenn eine Kinderbetreuung vorliegt. Idealerweise ist dies ein Platz im Regelbetreuungsangebot.


Zwischenbericht III zum Projekt "EvIk" Format: Forschungs­bericht

Der Zwischenbericht III aus dem Forschungsprojekt "Evaluation der Integrationskurse (EvIk)" liefert datenbasierte Einblicke in das Geschehen in Integrationskursen. Es wurden dazu Kursteilnehmende, Lehrkräfte und Kursträger befragt.