Herkunftsland Somalia im Fokus , Datum: 04.03.2024, Format: Meldung, Bereich: Asyl und Flüchtlingsschutz

Im Rahmen von sogenannten Fact Finding Missions (FFM) gewinnt das BAMF aktuelle Informationen zu Herkunftsländern (HKL). Somalia, ein HKL mit anhaltend hohen Zugangszahlen, war im Dezember das Ziel einer BAMF-Delegation zur Analyse der Situation vor Ort.

Länderanalysereferate des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stellen den Entscheiderinnen und Entscheidern nicht nur klassische Schreibtischrecherchen zur Verfügung, sie recherchieren auch vor Ort um bestehende Erkenntnisse zu verifizieren und neue Quellennetzwerke für zukünftige Analysen zu erschließen. Solche FFM sind internationalen Standards zufolge ein wichtiges Instrument im Bereich Country of Origin Information (Herkunftsländerinformationen).

Bei der jüngsten Mission des Fachbereichs Länderanalysen im Dezember 2023 stand Somalia im Fokus – mit anhaltend hohen Zugangszahlen ein sogenanntes‚ Top-10-Herkunftsland‘ im Asylverfahren. Eine Besonderheit dieser FFM war, dass die Recherchen nicht direkt vor Ort durchgeführt werden konnten, sondern vom Nachbarland Kenia aus erfolgten. Dr. Manuel Franz, zuständiger Referatsleiter im Bundesamt, erläutert die Herausforderung: "Unsere Entscheiderinnen und Entscheider haben deutlich signalisiert, wie gefragt Informationen zu Somalia sind. Gleichzeitig war angesichts der angespannten Sicherheitslage klar, dass eine FFM für uns nicht im Herkunftsland selbst möglich ist. Da die meisten internationalen Organisationen und auch die deutsche Botschaft ihre Somalia-Arbeit von Nairobi aus koordinieren, haben wir uns schließlich entschieden, nach Kenia zu reisen. Mit Unterstützung des Botschaftspersonals konnten dort Gesprächstermine mit einigen der führenden Expertinnen und Experten zur Sicherheits- und Menschenrechtslage in Somalia vereinbart werden."

Thematische Schwerpunkte: Sicherheitslage, Geschlechtsspezifische Gewalt, Humanitäre Situation

Um einerseits den Informationsbedarf vor allem aus dem operativen Bereich des Bundesamtes und andererseits Lücken in der aktuellen Berichterstattung zu Somalia decken zu können, wurden im Vorfeld der Mission gezielt thematisch abgesteckte Fragekataloge entwickelt. Zu einer umfassenden Vorbereitung gehörte auch die Auseinandersetzung mit den zu interviewenden Organisationen. Neben UN-Organisationen wie UNICEF, UNHCR, UNFPA oder IOM konnten auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, EU-Vertretende sowie verschiedene internationale und lokale NGOs als Gesprächspartner gewonnen werden. "Der Austausch mit den Organisationen war in vielerlei Hinsicht bereichernd", erklärt eine mitgereiste Länderanalystin Ostafrika. "Neben dem Gewinn von Herkunftslandinformationen aus erster Hand hat uns die Reise ermöglicht, Expertinnen und Experten der jeweiligen Fachgebiete kennenzulernen und somit direkte Ansprechpersonen für Folgeprojekte zu gewinnen. Die Gespräche mit internationalen und lokalen Organisationen helfen uns in der Länderanalyse enorm, ein ganzheitliches und ausgewogenes Bild der Situation vor Ort abbilden zu können."

Der thematische Fokus der Mission lag insbesondere auf geschlechtsspezifischer Gewalt, auf der Sicherheitslage sowie auf der humanitären und ökonomischen Situation in Somalia. Alle Gesprächspartner betonten die schlechte Wirtschaftslage, die instabile politische Situation, die angespannte humanitäre Lage sowie die schwierige Situation für Minderheiten und insbesondere für Frauen. Die jüngsten Flut- und Dürrekatastrophen und die mangelhafte Sicherheitslage haben zu zahlreichen Binnenvertriebenen und einem damit einhergehenden Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt geführt. In der Folge werden weitere Migrationsbewegungen in Nachbar- oder Drittstaaten prognostiziert. Nach wie vor geht eine erhebliche Gefahrenlage von Al-Shabaab und Clankonflikten aus. Durch die Terrormiliz kommt es neben Angriffen auf die Zivilbevölkerung und staatliche Strukturen auch zu Zwangsrekrutierungen und massiven Repressionen gegen die Zivilbevölkerung.

Erkenntnisse fließen in Leitsätze, Schulungen und einen Länderreport ein

Zur Nachbereitung der FFM gehört unter anderem die Verarbeitung der Erkenntnisse in einem umfassenden Informationsprodukt, das sowohl dem operativen Bereich des Bundesamts als auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugänglich gemacht wird: "Es entsteht ein Länderreport, der die gebündelten Informationen der Mission enthalten soll. Die gewonnenen Erkenntnisse werden vielfältig eingesetzt und fließen ebenfalls in die Aktualisierung der Leitsätze und HKL-Schulungen für den operativen Bereich ein", so Philippe Haulitschek, Länderanalyst Ostafrika. "Üblich ist darüber hinaus die Vorstellung der FFM-Ergebnisse auf supranationaler Ebene, beispielsweise im Rahmen der jährlich stattfindenden EUAA-Netzwerktreffen. Nicht unterschätzt werden dürfen auch die vor Ort geknüpften Kontakte für zukünftig aufkommende Fragestellungen zu Somalia. Im Grunde zehren wir noch über Jahre von der Mission".


Drei Männer sitzen an einem Konferenztisch Länderanalyst Philippe Haulitschek (links) im Gespräch mit Vertretenden der UN-Organisation UNFPA (United Nations Population Fund) Quelle: © BAMF