Teilhabe von Geduldeten ,
Etwa 242.000 Menschen hierzulande haben kein Bleiberecht und sind ausreisepflichtig, zumeist weil ihr Asylverfahren einen negativen Ausgang nahm. Gut 119.000 Personen besitzen eine Duldung infolge eines ablehnenden Asylbescheides. Wie sich ihre gesellschaftliche Teilhabe gestaltet und wie es ihnen geht, wird in einer BAMF-Kurzanalyse auf Basis umfangreicher Befragungen untersucht.
Personen, die im Zuge eines ablehnenden Asylbescheides eine Duldung erhalten, sind ausreisepflichtig. Ihre Abschiebung wird jedoch aus verschiedenen Gründen zeitlich befristet ausgesetzt. Aufgrund der Ausreisepflicht haben Geduldete einen eingeschränkten oder zeitlich verzögerten Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum Spracherwerb. Einige Rechte wie etwa die freie Wohnortwahl bleiben ihnen dauerhaft verwehrt. Wie sich dieser rechtliche Rahmen auf die tatsächliche Teilhabe von Geduldeten auswirkt, wurde bisher kaum wissenschaftlich untersucht. In der BAMF-Kurzanalyse 3|2024 geht Randy Stache, wissenschaftlicher Mitarbeiter im BAMF-Forschungszentrum, dieser Frage nach. Dabei gewinnt er vertiefte Einblicke in die Lebenssituation und Lebenszufriedenheit von Geduldeten.
Herr Stache, wie sind Sie bei der Untersuchung vorgegangen?
Randy Stache
Quelle: © BAMF
Randy Stache: Die Kurzanalyse nutzt Daten der IAB-BAMF-SOEP Befragung von Geflüchteten. Hier werden jährlich wiederholt Personen zu ihrer Lebenssituation befragt, die zwischen 2013 und 2022 nach Deutschland gekommen sind und einen Asylantrag gestellt haben. Die Befragung erfolgt unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens. Das heißt, befragt werden sowohl geduldete als auch bleibeberechtigte Personen. Für die Kurzanalyse berücksichtige ich die Befragungswellen 2016 bis 2020 und vergleiche die Lebenslagen von Geduldeten mit Bleibeberechtigten, die den Geduldeten in verschiedenen Punkten wie Alter, Geschlecht oder Herkunftsland ähnlich sind. Auf diese Weise können die Auswirkungen einer Duldung auf die Teilhabe sehr genau nachgezeichnet werden.
Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gelangt?
Randy Stache: Die Teilhabe von Geduldeten ist in vielerlei Hinsicht mit der von Bleibeberechtigten vergleichbar. So finden sich über die Zeit keine Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung. Und auch beim Besuch von Sprach- und Integrationskursen finden sich nach einigen Jahren Aufenthalt keine Unterschiede mehr, da Geduldete nach einigen Jahren des Aufenthalts in diesem Bereich aufholen. Über die Zeit entwickeln Bleibeberechtigten jedoch bessere Sprachkenntnisse. Der Unterschied im Deutschspracherwerb ist aber relativ gering und könnte an der unterschiedlichen Wohnsituation liegen. Geduldete leben doppelt so häufig in Gemeinschaftsunterkünften, in denen es weniger Möglichkeiten gibt, die deutsche Sprache zu praktizieren.
Trotz Ähnlichkeiten gibt es große Unterschiede im Wohlbefinden: Geduldete befürchten, nicht in Deutschland bleiben zu können, fühlen sich weniger willkommen und schätzen ihre Gesundheit schlechter ein. Insgesamt sind sie deutlich unzufriedener mit ihrem Leben als vergleichbar Bleibeberechtigte.
Welche Verbesserungen erwarten Sie durch das noch junge Chancen-Aufenthaltsrecht?
Randy Stache: Gelingt es den Personen, die das Chancen-Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, innerhalb von 18 Monaten alle Auflagen zu erfüllen und langfristig in einen regulären Aufenthalt zu wechseln, könnten sich mit der zu erwartenden Verbesserung der Wohnsituation auch die Deutschkenntnisse weiter verbessern. Mit einer Aufenthaltserlaubnis infolge des Chancen-Aufenthaltsrechtes erwarte ich für die Berechtigten aber vor allem eine Steigerung der allgemeinen Lebenszufriedenheit und weiterer Aspekte des Wohlbefindens sowie der psychischen Gesundheit. Welche Auswirkungen ein Rückfall in die Duldung hat, sollte der Übergang in einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht gelingen, ist an dieser Stelle nicht abzuschätzen. Weitere fundierte empirische Forschung zu den Auswirkungen des Chancen-Aufenthaltsrechts auf die Bleibe- und Rückkehrmotivation sowie auf die soziale Situation von Geduldeten ist wichtig.
Auswirkungen einer Duldung auf Lebenssituation und Lebenszufriedenheit
Die BAMF-Kurzanalyse 3|2024 vergleicht die Lebenssituation von Geduldeten mit ablehnendem Asylbescheid und Bleibeberechtigten, deren Asylantrag anerkannt wurde, um einen tieferen Einblick in die Integrationsfortschritte und das subjektive Wohlbefinden der Geduldeten zu erhalten. Als Datenbasis dient die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten. Die Kurzanalyse ist die zweite Veröffentlichung aus dem Projekt "Machbarkeitsstudie: Im-/Mobilität ausreisepflichtiger Personen in Deutschland" (MIMAP).
