Zwischenbilanz zum Chancen-Aufenthaltsrecht , Datum: 03.04.2025, Format: Meldung, Bereich: Behörde

Das Chancen-Aufenthaltsrecht richtet sich seit Ende 2022 an Personen, die seit mehreren Jahren mit einer Duldung in Deutschland leben. Es bietet ihnen mittels einer auf 18 Monate befristeten Aufenthaltserlaubnis die Möglichkeit, ihren Aufenthalt durch Mitwirkung und Teilhabe längerfristig zu sichern. In welchem Umfang das Chancen-Aufenthaltsrecht bislang genutzt wird und wie es – kurzfristig betrachtet – wirkt, hat das BAMF-Forschungszentrum (BAMF-FZ) eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten untersucht und zieht damit eine erste Zwischenbilanz.

Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist eine Stichtagsregelung (§ 104c AufenthG). Zum Stichtag (31.10.2022) lebten rund 137.000 Personen mit einer Duldung seit mindestens fünf Jahren in Deutschland und erfüllten somit die formalen Voraussetzungen für den Erhalt eines Chancen-Aufenthaltsrechts. Gut eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes haben etwa 76.000 Personen das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten. Welche Voraussetzungen notwendig sind und welche Perspektiven das Gesetz in Bezug auf Teilhabe und Identitätsklärung bietet, erläutern die Studienautorinnen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des BAMF-FZ, Dr. Laura Peitz und Anne-Kathrin Carwehl, im Interview.

Wer kann ein Chancen-Aufenthaltsrecht bekommen?

Eine Frau lächelt in die Kamera. Laura Peitz. Quelle: © BAMF

Dr. Laura Peitz: "Das Chancen-Aufenthaltsrecht richtet sich an Personen, die seit mehreren Jahren mit Duldung in Deutschland leben. Die Hürden für das Chancen-Aufenthaltsrecht sind vergleichsweise niedrig. Geduldeten Menschen wird ein 'Aufenthalt auf Probe' für 18 Monate gewährt, wenn sie neben einer aktuellen Duldung bzw. einem vorliegenden Duldungsgrund, ausreichende Voraufenthaltszeiten (mindestens fünf Jahre zum Stichtag) sowie ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie weitestgehende Straffreiheit nachweisen können."

Was wissen Sie über die Personen, die bislang ein Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten haben?

Eine Frau lächelt in die Kamera. Anne-Kathrin Carwehl Quelle: © privat

Anne-Kathrin Carwehl: "Unsere Analysen nehmen die ersten eineinhalb Jahre nach Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts in den Blick. Für diesen Zeitraum finden wir weder systematische Unterschiede noch strukturelle Barrieren bei der Erteilung: Frauen und Männer erhalten ähnlich häufig ein Chancen-Aufenthaltsrecht, ebenso erfolgt die Erteilung unabhängig von Alter, Staatsangehörigkeit und Familienstand. Personen mit einer Duldung aufgrund ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG) haben bisher allerdings besonders häufig ein Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten."

Welche Chancen bietet das Aufenthaltsrecht?

Dr. Laura Peitz: "Innerhalb der 18 Monate haben Personen mit Chancen-Aufenthalt die Möglichkeit, notwendige Integrationsleistungen für ein längerfristiges Bleiberecht zu erfüllen. In dieser Zeit können sie uneingeschränkt eine Beschäftigung aufnehmen und Integrationskurse besuchen. Damit ermöglicht das Chancen-Aufenthaltsrecht verbesserte Teilhabechancen für Personen, die bisher keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu Arbeitsmarkt und Sprachkursen hatten. Zudem erhalten Personen mit Duldung aufgrund ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG) erstmals die Chance, einen Identitätsnachweis aus einem gesicherten Aufenthaltstitel heraus zu erbringen."

Wie geht es nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht weiter?

Anne-Kathrin Carwehl: "Werden während des Chancen-Aufenthalts die entsprechenden Bedingungen erfüllt, können Personen in ein längerfristiges Bleiberecht nach § 25a oder 25b AufenthG wechseln. Voraussetzung dafür sind unter anderem die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts bzw. ein erfolgreicher Schulbesuch, ausreichende mündliche Deutschkenntnisse sowie eine geklärte Identität. Falls die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, fällt die betroffene Person nach Ablauf der 18 Monate zurück in die Duldung. Zum Zeitpunkt unserer Untersuchung waren die meisten Personen noch im Chancen-Aufenthalt. 15 Prozent sind bereits in einen anderen Aufenthaltstitel gewechselt; 2,5 Prozent wurden hingegen erneut ausreisepflichtig. Belastbare Erkenntnisse zur längerfristigen Wirkung sind allerdings erst nach Ablauf des Chancen-Aufenthaltsrechts im Dezember 2025 möglich."


Zwischen Duldung und Bleiberecht: Wie und für wen wirkt das Chancen-Aufenthaltsrecht? Format: Kurzanalyse

Die BAMF-Kurzanalyse 3|2025 untersucht Erteilungsmuster und Wirkungen des Chancen-Aufenthaltsrechts (§ 104c AufenthG). Diese Regelung trat Ende 2022 für die Dauer von drei Jahren in Kraft und gewährt langjährig geduldeten Personen ein 18-monatiges "Aufenthaltsrecht auf Probe". Die Kurzanalyse zieht eine erste Zwischenbilanz dieser in Deutschland bislang einmaligen Regelung.