Mehr als nur ein Fachaustausch – griechische Partner des AMIF-Projekts "Together in Sport" zu Gast in Frankfurt ,
Was stärkt den sozialen Zusammenhalt – in Deutschland, in Griechenland, europaweit? Ein Besuchstag im Rahmen des Projekts "Together in Sport" in Frankfurt am Main zeigt, wie gelungene europäische Zusammenarbeit ganz konkret aussehen kann: in der Sporthalle, am Kochtopf, im Gespräch.
"Cha-ryeot!"
, ruft Taekwondo-Trainer Abdelaziz Fakkar den Kindern in der Turnhalle der Salzmannschule im Frankfurter Stadtviertel Niederrad zu. Sofort gehen gut zwanzig Kinder in Stellung: Füße zusammen, Hände an den Oberschenkeln, Rücken gerade. Auch sie rufen "cha-ryeot!"
, was aus dem Koreanischen übersetzt so viel wie "Achtung" bedeutet. Vorfreude, Konzentration, Disziplin – und ein Hauch Lampenfieber liegt in der Luft. Denn was auf den ersten Blick wie eine ganz normale Trainingsstunde wirkt, ist Teil einer internationalen Begegnung mit besonderem Hintergrund.
Zusammenhalt durch Sport
Eine Delegation des Hellenischen Olympischen Komitees (HOC) und der griechischen Nichtregierungsorganisation METAdrasi ist auf Einladung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Frankfurt zu Gast. Anlass ist eine zweitägige Veranstaltung, die Raum für Austausch bietet: über Fördermöglichkeiten, sportliche Angebote und darüber, wie sozialer Zusammenhalt in Aufnahmegemeinden gestärkt werden kann. Im Mittelpunkt steht das Projekt "Together in Sport", das vom Europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) und dem BAMF gefördert wird. Es soll Geflüchtete, die in Griechenland ankommen, mit den lokalen Gemeinschaften verbinden, in denen sie leben. Seit September 2023 läuft in Griechenland eine neue, dreijährige Projektphase. In der ersten Phase konnten bereits über 9.000 Kinder und Jugendliche erreicht werden.
Abdelaziz Fakkar engagiert sich mit seiner Vereinsarbeit im Förderprogramm "Integration durch Sport".
Quelle: BAMF | Kristin Kasten
Taekwondo-Trainer Abdelaziz Fakkar zeigt sich beeindruckt von der Begegnung mit den Gästen aus Griechenland. "So ein Austausch ist wichtig: für die eigene Arbeit, aber auch für die Vision, was alles möglich ist"
, sagt er nach dem Training. Vor acht Jahren hat der gebürtige Marokkaner gemeinsam mit seiner Frau Marina den Verein Wydad Budo Fitness Frankfurt e.V. gegründet.
"Wenn ich sehe, wie schnell das Projekt in Griechenland gewachsen ist und was sie alles leisten, motiviert mich das sehr, mit unserem Verein ähnliche Schritte zu gehen."
Besonders wertvoll war für ihn der offene Austausch über bestehende Herausforderungen, wie knappe Hallenkapazitäten oder organisatorische Hürden. "Da merkt man: Wir sind nicht allein. Andere kämpfen mit denselben Problemen."
Kochen, Zuhören, Verstehen
Kochen, lachen, reden – ein Begegnungsabend bei "Über den Tellerrand" in Frankfurt
Quelle: BAMF | Kristin Kasten
Wie verbindend solche Treffen über Ländergrenzen hinweg sein können, zeigt sich auch am Abend: nicht in der Halle, sondern am Herd. Bei einer Kochveranstaltung des Vereins "Über den Tellerrand", der in Frankfurt Räume für Begegnung schafft, wird geschnippelt, gelacht und erzählt. Neben der griechischen Delegation sind auch Partner vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), dem BAMF und Menschen aus dem Quartier zu Gast.
Zusammen schnippeln: Miteinander entsteht dort, wo Menschen ins Gespräch kommen.
Quelle: BAMF | Kristin Kasten
Projektleiterin Lena Balkhausen gehört zum Team, das den Abend organisiert. "Das Kochen ist oft der einfachste Weg, miteinander in Kontakt zu kommen. Wir schaffen Räume, in denen man sich begegnet, auch ohne viele Worte."
In der kleinen Küche füllt sie Tomaten, Zwiebeln und Koriander in Schüsseln und trägt sie zu den Tischen. Ganz nebenbei erzählt sie vom Projekt "Community Connect", das sie leitet. Die Idee: migrantische Selbstorganisationen und Nachbarschaftsinitiativen planen gemeinsam Veranstaltungen. Es ist eines von derzeit drei Projekten bei "Über den Tellerrand", die vom BAMF im Rahmen des Bundesprogramms "Gesellschaftlicher Zusammenhalt" (BGZ) gefördert werden.
Voneinander lernen, gemeinsam wachsen
Silvia Merkle ist Projektleiterin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und betreut die Umsetzung von "Together in Sport" in Griechenland. Sie weiß um die Kraft des Sports – gerade in herausfordernden Kontexten: "Wir wollen junge Menschen mit und ohne Fluchthintergrund zusammenbringen: durch Sport, aber auch durch gemeinsame Ausflüge, Museumsbesuche, Radtouren oder Kreativangebote."
Es gehe um mehr als Bewegung. "Wir wollen den sozialen Zusammenhalt in den griechischen Aufnahmegemeinden stärken und Werte wie Fairness, Respekt und Toleranz vermitteln."
Gemeinsam für mehr sozialen Zusammenhalt: Gruppenfoto in der DOSB-Zentrale
Quelle: © BAMF | Kristin Kasten
Dass der Austausch mit den griechischen Partnern nun in Deutschland stattfindet, war von Beginn an Teil der Projektidee: "Wir waren zum Kick-off in Athen, jetzt kommen sie zu uns. Es geht um den Perspektivwechsel und darum, voneinander zu lernen"
, sagt Silvia Merkle. Der Besuch beim Taekwondo-Verein in Frankfurt war dabei für sie ein besonderer Moment: "Was Marina und Abdelaziz leisten, ist unglaublich beeindruckend. Da gibt es ganz viele Parallelen zu unseren Partnern vor Ort in Griechenland, die sich genauso unermüdlich engagieren."
Auch sie selbst nimmt Anregungen mit: Besonders beeindruckt hat sie das Konzept der Unified Teams des DOSB – inklusive Sportgruppen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam trainieren. "Das könnte ich mir gut als Pilotversuch in unserem Projekt vorstellen."
Georgia Papathanasiou vom Projektteam "Together in Sport"
Quelle: © BAMF | Kristin Kasten
Georgia Papathanasiou ist leitende lokale Koordinatorin beim Projektpartner Hellenic Olympic Committee. Sie hat das Programm von Anfang an mit aufgebaut – und lässt keinen Zweifel daran, wie viel Herzblut sie in das Vorhaben steckt. Sie erzählt vom schwierigen Start in der Pandemie, von organisatorischen Hürden, aber auch von großen Erfolgen. "Ich erinnere mich genau: Wir wollten 3.000 Kinder erreichen, am Ende der ersten Projektphase waren es mehr als drei Mal so viele."
Auch für sie ist die Studienreise nach Deutschland mehr als ein Fachaustausch: "Diese Begegnungen helfen uns allen."
In Deutschland sieht sie Modelle, die auch in Griechenland Schule machen könnten, wie die starke Rolle des Ehrenamts oder die Einbindung junger Menschen in Projektprozesse.
Besonders beeindruckt hat sie der Besuch beim Verein Wydad Budo Fitness Frankfurt e.V.: "Die Idee eines Jugendvorstands in Vereinen, wie ich sie dort kennengelernt habe, will ich unbedingt mitnehmen. Die Kinder selbst zu fragen, was sie brauchen – das verändert alles."
Am Ende sind sich sowohl die griechischen als auch die Projektpartnerinnen und -partner einig, dass der europäische Austausch zur Stärkung des sozialen Zusammenhaltes lohnt und der partnerschaftliche Austausch, viel neue Inspiration für die Projektpraxis vor Ort gebracht hat.
Text: Kristin Kasten