"Wir wollten, dass es gelingt!" , Datum: 22.07.2025, Format: Meldung, Bereich: Integration , Die Integrationskurse als Erfolgsgeschichte

Felice Balletta, Leiter der Volkshochschule (vhs) Fürth, setzt sich seit vielen Jahren für eine chancengerechte Bildungslandschaft ein – besonders, wenn es um Integration geht. Vor zwanzig Jahren hat er in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt die ersten Integrationskurse umgesetzt und begleitet. Im Interview spricht er über die Anfangszeit der Integrationskurse, über ihre Wirkung im Alltag und darüber, was er sich für ihre Zukunft wünscht.

BAMF: Herr Balletta, Anfang 2005 starteten die ersten Integrationskurse in Deutschland. Sie waren mit der vhs Fürth von Beginn an mit der Umsetzung von Integrationskursen betraut. Wie haben Sie die Anfangszeit der Kurse erlebt?

Felice Balletta: 2005 war für uns alle ein Wendepunkt. Dass das erste Mal auch auf breiter politischer Ebene das Bewusstsein existierte und gleichzeitig der Wunsch artikuliert wurde, Deutschland als Zuwanderungsland zu sehen und zu begreifen, war bemerkenswert.

Deutschkurse gab es in der vhs seit den 1950er Jahren, allerdings als überschaubaren Bereich. Die Integrationskursverordnung brachte eine neue Komplexität mit sich, der wir in unserem Haus erst einmal gerecht werden mussten. Der Start der Integrationskurse war für uns daher in erster Linie ein Herantasten und ein gemeinsames Austarieren in der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt.

Wir waren jedoch alle in so einer Aufbruchsstimmung, dass wir wollten, dass es gelingt. Mit der Zeit wurden es immer mehr Kurse und mittlerweile ist der Integrationsbereich eine tragende Säule im vhs-Betrieb und komplett eigenständig.

BAMF: Wie haben sich die Kurse im Laufe der Jahre entwickelt und verändert?

Felice Balletta: 2005 war der Grundgedanke, sich mit den Integrationskursen in erster Linie an Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer zu wenden, um ihnen den Weg in die Gesellschaft zu ebnen. Später kamen diejenigen hinzu, die schon länger hier lebten, aber trotzdem wenig bis kein Deutsch sprachen, wieder später die Geflüchteten. In einem Kurs saß also eine heterogene Gruppe aus Menschen mit unterschiedlicher Biografie, Herkunft, Sprache und Sozialisation. Das änderte sich 2015 als es Gruppen gab, in denen hauptsächlich Geflüchtete aus Syrien saßen oder ab 2022 Ukrainerinnen und Ukrainer. Auf pädagogischer Ebene hatte das zur Folge, dass mühsam ausdifferenzierte Konzepte immer wieder neu an die Realität der Kurse angepasst werden mussten.

Die hohe Fluchtmigration 2015 hatte darüber hinaus entscheidende organisatorische Auswirkungen: Wir waren über Nacht in der Situation, unsere Kapazitäten verdoppeln, ja sogar verdreifachen zu müssen. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem wir alle im Haus laufenden Kurse ausquartiert haben, um kurzfristig Platz für Einstufungen und Kurszuweisungen zu schaffen.

Ein weiterer Einschnitt war Corona, der Lockdown. Wir hatten das große Glück, bereits eine halbe Stelle für einen Digitalisierungsbeauftragten im Haus zu haben. Die Konzepte für Online-Tutorials lagen in der Schublade bereit und wir konnten sie innerhalb weniger Tage umsetzen – zu Beginn natürlich nicht als gleichwertigen Ersatz für einen Integrationskurs, aber als gute Überbrückung. Für uns war diese Entwicklung ein Innovationsbooster. Diese neuen Standards wollten wir dauerhaft beibehalten.

20 Jahre bundesweite Integrationsförderung waren natürlich auch 20 Jahre hitzige Diskussionen in Landesverbänden, in Bundesverbänden und Volkshochschulen. Wir haben uns an vielen Stellen gerieben, aber es war ein positives Ringen um den richtigen Weg. Aus meiner Perspektive war es ein guter Prozess, den wir gemeinsam auf Augenhöhe entwickelt haben und gegangen sind und bei dem etwas sehr Gutes entstanden ist. Pädagogisch sind wir auf einem guten Level. Wir haben ein anspruchsvolles, aber händelbares Curriculum.

BAMF: Die Integrationskurse gelten heute als zentrales Element der Integrationspolitik. Wie erleben Sie persönlich die Wirkung der Kurse im Alltag – bei den Teilnehmenden aber auch im gesellschaftlichen Kontext?

Felice Balletta: Die Integrationskurse haben das Gesicht der vhs buchstäblich verändert. Plötzlich kamen die Leute nicht mehr nur wegen ihres Yogakurses, sondern wegen ihres Deutschkurses. Dabei kam es in der vhs auch immer wieder zu schönen Momenten der Begegnung. Ich erinnere mich noch gut daran, als eine langjährige Dozentin von uns, die selbst Teilnehmerin eines Arabischkurses war, einmal gemeinsam mit Teilnehmenden verschiedener Sprachkurse in unserer Lehrküche gekocht hat. Das sind Gelegenheiten, bei denen es gelingt, unterschiedliche Menschen in Kontakt zu bringen und ein Miteinander entstehen zu lassen.

Integration ist für mich bis heute ein Herzensthema und eine der elementaren, der großen Querschnittsaufgaben unserer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund hat sich aus meiner Sicht mit den Integrationskursen etwas sehr, sehr Gutes entwickelt.

Mit Blick auf die Teilnehmenden war es immer mein Verständnis, mit den Kursen ein Angebot zu schaffen, aus dem jeder etwas machen kann. Ich kann mich an einen Kursteilnehmer erinnern, der unbedingt Kapitän werden wollte und an die vielen Kämpfe, die wir für ihn ausgefochten haben. Heute schickt er mir immer mal wieder Fotos von den Containerschiffen, auf denen er unterwegs ist.

Was den gesellschaftlichen Kontext betrifft: Wenn man in einem Land leben möchte, ist es das Erste, die Sprache zu verstehen. Das Zweite ist aber, ich muss dieses Land verstehen. Ich denke hier haben wir insbesondere mit dem Orientierungskurs ein Angebot, Demokratie wirklich zu erleben, Freiheiten erfahrbar zu machen und gleichzeitig das Bewusstsein zu vermitteln, dass die eigene Freiheit da endet, wo die Freiheit anderer beginnt. Das ist auch ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, bei dem ich den Eindruck habe, dass die Menschen im Alltag viel weiter sind, als es manche Medienberichte vermuten lassen.

BAMF: Gibt es ein Thema rund um die Integrationskurse, das Ihnen besonders am Herzen liegt – auch mit Blick auf die Zukunft der Kurse?

Felice Balletta: Für mich ist das Integrationskurssystem eine absolute Erfolgsgeschichte. Auch Erfolge kann man optimieren, aber es ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte.

Meine große Sorge ist, dass – aus welchen Gründen auch immer – ein zu enger Bildungsbegriff angesetzt wird. Ich denke, wir sollten Integration immer deutlich weiter begreifen, als eine rein zweckmäßige Befähigung für den Arbeitsmarkt. Gerade in der Anfangszeit stand vor allem auch das gesellschaftliche Miteinander stärker im Fokus.

Was ich vor diesem Hintergrund für elementar halte: Der Integrationskurs ist das Herzstück, der Kern aller Integrationsmaßnahmen sprachlicher Natur. Wir haben mit diesem Kurs ein sehr gutes Produkt, das nicht verwässert werden sollte.