"Gemeinsam unterwegs" – eine Maßnahme, die Verbindung schafft ,
Ein zentrales Element der bundesgeförderten Integrationsarbeit sind Angebote, die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler dabei unterstützen, sich in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zurechtzufinden und am sozialen, kulturellen und beruflichen Leben teilhaben zu können. Im Interview mit Dr. Oliver Steinert, Leiter der Gruppe "Grundsatzfragen der Integration, Integrationsmaßnahmen" im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sprechen wir über die Bedarfe von Spätaussiedlerinnen und -siedlern und darüber, wie das Bundesamt diese im Rahmen verschiedener Programme adressiert.
Warum gibt es für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ein besonderes Integrationsangebot?
Dr. Steinert: In Politik und Gesellschaft ging man lange davon aus, dass sich Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ganz reibungslos und selbstverständlich in unsere Gesellschaft integrieren. Zum einen, weil die Gruppe im Zuge des Aufnahmeverfahrens die Staatsbürgerschaft erhielt und zum anderen aufgrund ihrer bereits bestehenden Deutschkenntnisse.
Tatsächlich standen und stehen Spätaussiedlerinnen und -siedler aber vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Einwanderungsgruppen. Obwohl sie sich selbst als Deutsche wahrnehmen, werden sie in der Gesellschaft häufig als "Ausländer" oder "Russen" betitelt – ein Widerspruch, der das Gefühl dazu zu gehören erschwert.
Gleichzeitig gibt es ganz allgemeine Schwierigkeiten am Leben in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft zu partizipieren, die nicht nur viele Freiheiten, sondern auch Pflichten und Selbstverantwortlichkeit mit sich bringt.
Wie fördert das Bundesamt die Integration und gesellschaftliche Teilhabe von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern?
Dr. Steinert: Tatsächlich haben wir im Bundesamt eigens ein Referat eingerichtet, das Vereine, Verbände und andere Organisationen im Bereich der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler unterstützt. Gemeinnützige Organisationen dieser Art können sich beim Bundesamt für verschiedene Arten der Projektförderung bewerben. Die Kolleginnen und Kollegen des Spätaussiedler-Referats beraten diese Träger, wenn es darum geht, einen Antrag für eine Projektförderung zu stellen, stehen bei der Durchführung von Projekten zur Seite und bewilligen auch die Fördermittel.
Wie kann eine Förderung konkret aussehen?
Dr. Steinert: Zuerst ist hier natürlich die Maßnahme "Gemeinsam unterwegs: Identität, Anerkennung, Begegnung" zu nennen. Mit dieser können Kurse, Veranstaltungen und Exkursionen durchgeführt werden, die der Zielgruppe beim Ankommen in Deutschland helfen oder ihnen, auch im Sinne einer nachholenden Integration, den Weg in die Gesellschaft ebnen.
Mit dem Bundesprogramm "Gesellschaftlicher Zusammenhalt" bieten wir auch Trägern aus dem Spätaussiedlerbereich die Möglichkeit, Projekte umzusetzen, die das interkulturelle Miteinander vor Ort stärken, oder Multiplikatorenschulungen zur Stärkung von Ehrenamtlichen durchzuführen.
Innovative Integrationsmaßnahmen im Rahmen derer neue Konzepte und Ideen erprobt werden, können wir in Form von Modellprojekten fördern. Ein solches Modellprojekt ist aktuell die Strukturentwicklung eines Spätaussiedlerverbands oder ein Projekt, das die demokratische Debattenkultur stärken möchte.
Herr Dr. Steinert, Sie haben die Maßnahme "Gemeinsam unterwegs" federführend mitgestaltet. Was macht die Fördermaßnahme aus?
Dr. Steinert: "Gemeinsam unterwegs" ist das Herzstück der Spätaussiedlerförderung des Bundesamtes. Anders als andere Fördermaßnahmen ist es gesetzlich im Bundesvertriebenengesetz verankert. Grundlage der Planung vor zwanzig Jahren war ein Auftrag des Bundesinnenministeriums, eine ergänzende Maßnahme zum Integrationskurs für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zu konzipieren. Inhaltlich haben wir uns bei der Entwicklung des Konzepts eng an den damaligen Stand der Forschung zur Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern orientiert. Ganz zentral war hierbei, Fragen der eigenen Identität ebenso zu thematisieren wie das Ankommen in einer durch Vielfalt und Selbstverantwortung geprägten Gesellschaft.
Eine Stärke der Maßnahme liegt in ihrer Flexibilität. Träger können unterschiedliche Formate beantragen, Kurse in unterschiedlicher Länge, Halbtages- und Tagesveranstaltungen – sowohl jedes Format für sich allein als auch in Kombination miteinander. Zusätzlich sind Exkursionen oder eine Förderung für ehrenamtliche Tätigkeiten möglich.
Eine Schlüsselfunktion nimmt aber die passgenaue inhaltliche Gestaltung der Maßnahme ein: Hier geht es vor allem um die bereits angesprochenen spezifischen Fragen der Identität und Biografie von spätausgesiedelten Personen. Aber auch Themen wie Vielfalt in Deutschland, Engagement, Teilhabe und Partizipation stehen auf dem Programm – ebenso wie die Themenbereiche, Beruf, Familie und Bildung.
Wie wird das Programm vor Ort, in den Communities und bei den Teilnehmenden angenommen?
Dr. Steinert: Dort, wo die Maßnahme umgesetzt wird, stößt sie auf großes Interesse. Das kann daran liegen, dass dieses Programm einen geschützten Rahmen bietet, in dem sich die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler austauschen können, mit all ihren unterschiedlichen Erfahrungen und geschichtlichen Hintergründen. Die Maßnahme ist aber andererseits offen genug, damit Begegnungen mit anderen Gesellschaftsgruppen ermöglicht werden.
So ist "Gemeinsam unterwegs" ein wichtiger Baustein der Integrationsarbeit des Bundes, um Teilhabe, Zusammenhalt und Zugehörigkeit zu fördern und zu stärken.

