Erfolge. Chancen. Herausforderungen. ,
Am 1. Januar 2005 trat mit dem Zuwanderungsgesetz eine weitreichende Reform der Integrationspolitik in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Seitdem hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Förderung von Integration und gesellschaftlichem Zusammenhalt aktiv mitgestaltet und geprägt. BAMF Vizepräsident Dr. Michael Griesbeck hat die Anfänge der Integrationsarbeit im Bundesamt als ehemaliger Abteilungsleiter für Integration miterlebt. Im Gespräch mit ihm und Uta Saumweber-Meyer, der aktuellen Leiterin der Abteilung für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt, blicken wir zurück auf die Erfolge, Chancen, Herausforderungen der letzten zwei Jahrzehnte.
Gemeinsam blicken Sie auf 20 Jahre Integrationsarbeit zurück, welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, Herr Dr. Griesbeck?
Dr. Griesbeck: Als das Bundesamt 2005 - bis dahin eine reine Asylbehörde - im Zuge des Zuwanderungsgesetzes erstmals die Zuständigkeit für den bundesweit einheitlichen Integrationskurs und die Migrationsberatung (MBE) erhielt, war das ein Paradigmenwechsel. Diesen neuen Aufgabenbereich zu übernehmen, bedeutete für unsere Behörde zum einen frischen Wind durch eine ganz neue Mitarbeiterstruktur. Zum anderen haben wir dadurch neue Gestaltungsmöglichkeiten erhalten und gleichzeitig eine anspruchsvolle Breite unseres Aufgabenspektrums gewonnen.
Seitdem setzt das Bundesamt nicht nur Angebote zur sprachlichen und gesellschaftlichen Integration um, sondern gestaltet die Integrationsförderung des Bundes aktiv mit und entwickelt sie an vielen Stellen weiter:
Wir haben in den vergangenen Jahren viele wichtige Akzente in der Integrationsarbeit setzen können, zum Beispiel durch die gezielte strukturelle Förderung von Migrantenorganisationen, die als Sprachrohr ihrer Communities wichtige Ansprechpartner auf Bundesebene sind. Oder auch durch die Schaffung von speziellen Möglichkeiten für Frauen, wie etwa das Kursangebot "Migrantinnen einfach stark im Alltag."
Welche Herausforderungen hat es im Hinblick auf die Integrationsarbeit des Bundesamts gegeben? Wie nehmen Sie die Situation heute wahr?
Dr. Griesbeck: Eine der größten Herausforderungen in der Integrationsarbeit des Bundesamtes war sicherlich die hohe Anzahl an Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 Wir standen einerseits vor der Aufgabe, ausreichend Plätze in den Integrationskursen zu schaffen.
Andererseits wurde schnell deutlich, dass wir auch neue Angebote brauchen, die den Bedarfen der zu uns gekommenen Menschen gerecht werden. So entstanden beispielsweise die Erstorientierungskurse, die Schutzsuchenden und Zugewanderten dabei helfen, sich im alltäglichen Leben in Deutschland zurechtzufinden. Um deren Arbeitsmarktchancen weiter zu verbessern, haben wir ab 2016 die Berufssprachkurse aufgebaut und damit den zweiten Baustein des Gesamtprogramms Sprache entwickelt.
Dass wir uns schnell auf veränderte Gegebenheiten einstellen können, haben wir auch in der Corona Pandemie unter Beweis gestellt: Trotz wiederkehrender Lockdowns konnte in virtuellen Klassenzimmern weiter Deutsch unterrichtet oder mit mbeon eine digitale Migrationsberatung auf die Beine gestellt werden. Eine weitere Herausforderung war die Situation nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, als sich die Zahl der Integrationskurs Teilnehmenden verdreifacht hat. Unser Bundesamt hat in den vergangenen 20 Jahren immer wieder bewiesen, dass es auf neue Situationen flexibel reagieren kann.
Insgesamt haben wir einen Beitrag geleistet, vielen Menschen einen Weg in die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe zu ebnen. Darauf können wir stolz sein, ohne uns auszuruhen: Denn unsere ausdifferenzierten Angebote entwickeln wir ständig unter fachlichen Gesichtspunkten und nach aktueller politischer Schwerpunktsetzung, zum Beispiel Arbeitsmarktorientierung weiter. Auch das Vorantreiben der Digitalisierung wird in nächster Zeit weit oben auf unserer Agenda stehen.
Die Integration von Zugewanderten soll Chancengleichheit und die Teilhabe in allen Bereichen ermöglichen, insbesondere am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben. Frau Saumweber-Meyer, was konnte durch die Arbeit des Bundesamtes hierzu in den letzten 20 Jahren erreicht werden?
Frau Saumweber-Meyer: Der erste Schritt war und ist natürlich die Sprache. Nur wer sich hier verständigen und austauschen kann, hat überhaupt erst die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Mit dem Gesamtprogramm Sprache haben wir ein wirklich einzigartiges, ausdifferenziertes System an Kursangeboten für verschiedene Zielgruppen, die Zugewanderten genau die Sprachkenntnisse vermitteln, die sie benötigen, z.B. Deutsch für den Beruf.
Das allein reicht aber bei Weitem nicht aus. Deutschkenntnisse verfestigen sich dann am besten, wenn ich jemanden habe, der mit mir auch Deutsch spricht. Auch Arbeitsstellen finden sich leichter über soziale Kontakte und Netzwerke. Und so ist die gesellschaftliche Integration ein ganz zentraler Baustein unserer Integrationsarbeit.
Das Bundesamt fördert in großen Programmen wie "Integration durch Sport" oder dem "Bundesprogramm Gesellschaftlicher Zusammenhalt" im Auftrag des Bundesinnenministeriums hunderte Projekte bundesweit, die Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte ermöglichen und inhaltlich begleiten. So entstehen Chancen, sich gegenseitig kennen und akzeptieren zu lernen und gleichzeitig aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Dahinter steht das Prinzip "Menschen stärken Menschen", das unsere Integrationsarbeit in den letzten 20 Jahren entscheidend geprägt hat. Dazu zählt auch, dass das Bundesamt ehrenamtliches Engagement fördert und unterstützt. Nur mit vereinten Kräften kann Integration – vor Ort in den Städten und Kommunen – gelingen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Integrationsarbeit des BAMF? Wo liegt für Sie künftig der Fokus der Integrationsarbeit?
Wir haben aus den Herausforderungen der letzten Jahre viele Themen mitgenommen, wie zum Beispiel den Ausbau und die Weiterentwicklung des Gesamtprogramms Sprache (GPS), im Bereich der Sprachförderung mit einem Schwerpunkt auf arbeitsplatzbezogenen Elementen. Dies kann auch im Rahmen der Fachkräftezuwanderung hilfreich sein.
Die Digitalisierung ist bereits angesprochen. Wir werden zudem mit unseren Partnern gemeinsam gestalten, wie wir auch die Potentiale "Künstlicher Intelligenz" in unseren Angeboten verantwortungsvoll einsetzen können.
Neben diesen strukturellen Themen wird sich der Fokus der Integrationsarbeit aber auch immer wieder an aktuellen gesellschaftlichen Bedarfen ausrichten müssen.
Ganz grundsätzlich liegt der Fokus der Integrationsarbeit für mich darauf, gemeinsam mit den Kommunen, mit den Ländern sowie mit den Menschen, die schon lange hier leben und denen, die neu zu uns kommen, an einer toleranten und von demokratischen Werten getragenen Gesellschaft zu bauen.