Vom Integrationskurs zur eigenen Kochschule , Datum: 21.05.2025, Format: Meldung, Bereich: Integration , Eine ehemalige Kursteilnehmerin erzählt von ihrem Weg in Deutschland

Im Jahr 2012 war sie die einmillionste Teilnehmerin in einem Integrationskurs: Maria Lucrezia Schiavarelli. Eine Tatsache, die der heute 45-jährigen gebürtigen Süditalienerin damals sogar eine Schlagzeile in der BILD-Zeitung einbrachte. Mittlerweile lebt Schiavarelli seit 14 Jahren in Berlin und ist als Dozentin, Künstlerin und Unternehmerin in ihrer Wahlheimat tätig. Der damals besuchte Integrationskurs half ihr dabei, in Deutschland Fuß zu fassen. Und mehr noch: Er legte den Grundstein für ihre eigene Kochschule "Pastamadre". Mit ihr möchte Maria Lucrezia Schiavarelli vieles von dem zurückgeben, was ihr in ihrer Anfangszeit in Deutschland zuteil wurde.

Frau Schiavarelli, wie geht es Ihnen heute als Italienerin in Deutschland? Fühlen Sie sich in Berlin inzwischen heimisch?

Schiavarelli: Als ich kürzlich zu Besuch bei meinen Eltern in Bologna war, wo ich zuvor 20 Jahre gelebt und auch studiert hatte, habe ich mich nicht so zu Hause gefühlt wie jetzt in Berlin. Hier fühle ich mich frei, was wohl auch an der Stadt liegt. Das Leben in Berlin ist anders und auch härter, aber ich kann authentisch sein – so wie ich bin. Meine italienischen Eigenschaften wie Temperament und Spontaneität werden in dieser multikulturellen Stadt gut aufgenommen. Und ich denke, ich trage inzwischen auch viel von der deutschen Kultur in meiner Persönlichkeit. Mit meiner Kochschule "Pastamadre" kann ich in der Kunstmetropole Berlin meine künstlerische Vision zwar nicht mit Bildern, aber in Form von Erfahrungen einbringen.

Darauf werden wir gleich zu sprechen kommen... Aber warum sind Sie damals überhaupt nach Deutschland umgesiedelt?

Schiavarelli: Es war wie ein innerer Ruf, eine Vision. Ich war in eine Krise geraten und spürte, dass ich etwas in meinem Leben grundlegend ändern musste. Vorher war ich nur einmal in Berlin gewesen, um eine Ausstellung zu besuchen, aber das hatte mir so ein tolles Gefühl gegeben! Ich brach dann einfach auf, ohne Plan, ohne zu wissen, was kommt.

Sie kannten also zunächst niemanden und verstanden die deutsche Sprache nicht?

Schiavarelli: Ja, alles war komplett neu für mich. Zunächst verbesserte ich mein Englisch, um mich hier überhaupt verständigen zu können. Aber es war mir sehr wichtig, auch Deutsch zu verstehen und zu sprechen. Ich erinnere mich, wie unsicher ich mich zum Beispiel in der U-Bahn fühlte, da ich nicht verstand, was da gesprochen wurde. Und ich hatte schon Angst, wenn nur jemand an der Tür klingelte. Deshalb stand für mich der Entschluss schon nach kurzer Zeit fest, an einem Integrationskurs teilzunehmen. Ein halbes Jahr täglich fünf Stunden Unterricht plus Hausaufgaben – das war sehr intensiv, fokussiert und hilfreich: Eine gute Basis für alles, was danach kam.

Wie haben Sie den Integrationskurs dann erlebt?

Schiavarelli: Schon das Kennenlernen verschiedener Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern von Griechenland bis Indien hat mir gutgetan. Das hat mir gezeigt, dass ich in Deutschland nicht alleine bin. Man versteht sich schnell, freundet sich an und unterstützt sich gegenseitig. Besonders hilfreich war, dass unsere beiden Lehrkräfte im Unterricht nur Deutsch sprachen, und dass sie sich gut ergänzten – die eine vermittelte die Grammatik besonders gut, die andere stellte mehr Fragen und ließ uns selbst sprechen.

Eine Frau steht vor der einem Plakat. Die Künstlerin vor Infoplakaten, die sie selbst gestaltet hat. Quelle: BAMF | Gerd Fürstenberger


Nicht lange nach dem Kurs haben Sie dann Ihre Kochschule "Pastamadre" gegründet. Wie kam es dazu?

Schiavarelli: In meiner letzten Berliner Ausstellung im Jahr 2014 zeigte ich eine Installation mit Getreide. Da habe ich mich daran erinnert, was ich in meiner Kindheit in Italien mit Getreide getan habe: mit meiner Mutter und Großmutter gebacken und gekocht, wir haben immer alles selbst gemacht. Diese Erfahrung wollte ich anderen Menschen weitergeben. Das zusammen kochen, essen und der Austausch dabei schaffen schnell eine emotionale Nähe zwischen Menschen, die aus ganz verschiedenen Welten kommen.

…womit wir auch wieder beim Thema Integration wären…

Schiavarelli: Genau. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen lernen voneinander und bereichern sich gegenseitig. Es geht dabei nicht darum, perfekt zu sein, im Gegenteil: Aus Fehlern lernt man. Das gilt fürs Sprachen lernen wie fürs Brot backen oder Pasta machen. Ich werde verstanden, gerade weil ich nicht perfekt sein will, sondern weil ich authentisch bin.

Eine Frau steht hinter einem Tisch und knetet Teig. Maria Lucrezia Schiavarelli bei der Zubereitung von Sauerteig. Quelle: BAMF | Gerd Fürstenberger


Und was sind nun Ihre weiteren Pläne?

Schiavarelli: Gerade habe ich ein neues Projekt ins Leben gerufen, in dem es um Kochen als Praxis der Achtsamkeit geht. Kochen als etwas, bei dem man mit allen Sinnen im Hier und Jetzt präsent ist – nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit dem Geist. Solange ich neue Ideen habe, wird auch "Pastamadre" weiterleben. Hier kommen Leute zusammen, die sich nicht kennen, aber sie fühlen sich nach vier Stunden wie eine kleine Familie. Gerade in der heutigen Zeit voller Konflikte brauchen wir einen Raum, in dem wir uns nicht als Einheimische oder Ausländer, sondern als Menschen fühlen können. Als Menschen, deren Herzen im Grunde gleich schlagen und die sich gegenseitig bereichern. In etwa so, wie es damals schon im Integrationskurs war.


Text: Gerd Fürstenberger


In diesem Jahr feiert der Integrationskurs sein 20-jähriges Bestehen. Zwischenzeitlich haben bundesweit insgesamt mehr als 3,6 Millionen Menschen an den durch das Bundesamt geförderten Kursen teilgenommen.

Hier finden Sie mehr Informationen zu 20 Jahren bundesweite Integrationsförderung.