Spaß am Lernen trotz Pandemie , Datum: 11.03.2021, Format: Meldung, Bereich: Integration , Interview mit Heike Sakowski von der SprachHaus GmbH

Die Corona-Pandemie begleitet uns mittlerweile ein Jahr und hat Kursteilnehmenden, Lehrkräften und Trägern der Berufssprachkurse einiges abverlangt. Ein Präsenzunterricht war je nach Bundesland kaum möglich. Hier waren schnelle und manchmal auch kreative Alternativen gefragt. Eine davon ist das Virtuelle Klassenzimmer, das seit Juni 2020 Teil der Kursmodelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist.

Unser Außendienstmitarbeiter Jens Cremer hat sich hierzu mit der Sprachhaus GmbH ausgetauscht, die mehrere Schulungsstätten im Kölner Stadtgebiet betreibt

Frau Sakowski, wie viele und welche Berufssprachkurse (BSK) haben in Präsenz begonnen und konnten von Ihnen aktuell in das Virtuelle Klassenzimmer überführt, bzw. direkt im Virtuellen Klassenzimmer gestartet werden?

Heike Sakowski: Wir haben unsere Kurse im Verlauf des Jahres 2020 komplett auf das Virtuelle Klassenzimmer umgestellt. Derzeit führen wir 21 Kurse vollständig im Virtuellen Klassenzimmer durch. Momentan ist unser großes Problem in Köln und in NRW im Allgemeinen, dass wir die Prüfungen nicht durchführen dürfen. Dadurch ergeben sich erhebliche Wartezeiten und wir versuchen die Zeit bis zur Prüfung so gut es geht mit Angeboten zu überbrücken, bzw. Kurse neu aufzustellen und weniger Unterrichtseinheiten durchzuführen, bis die Möglichkeit zur Prüfungsabnahme besteht. Da wäre es sehr wünschenswert, wenn wir die Möglichkeit bekämen, die UE aufzustocken. Bis die Prüfungen möglich sind, sollte analog zum letzten Jahr eine Erhöhung ermöglicht werden. Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass Teilnehmende Gelerntes wieder vergessen. Vor allem im Niederschwelligen-Bereich ist diese Aufstockung notwendig, damit die Personen kontinuierlich bis zur Prüfung weiterlernen. Häufig sind gerade A2 und B1 Kursteilnehmende sozial und räumlich nicht ausreichend aufgestellt, um alleine in Heimarbeit weiter zu lernen. Es fehlt häufig eine Art Insel, die der Person ein konzentriertes Arbeiten zu Hause ermöglicht. Eine Abschirmung ist häufig nicht gegeben oder möglich. Das sind aber auch Probleme, die wir in jedem Virtuellen Klassenzimmer haben.

Können Sie auf die A2 -Kurse etwas näher eingehen?

Sakowski: Wir haben zwei laufende A2-Kurse im Virtuellen Klassenzimmer und ein weiterer startet in Kürze. Somit sind wir mit drei A2-Kursen derzeit im virtuellen Bereich aufgestellt. Wir haben aber bereits einige A2-Kurse vollständig im Virtuellen Klassenzimmer zu Ende gebracht. Wir bieten unseren Teilnehmenden an, dass sie zu uns zu kommen, wenn sie nicht über die räumlichen oder technischen Voraussetzungen verfügen und von hier in einem separaten Raum an der Zoom-Konferenz teilnehmen. Wir beraten aber die Teilnehmenden während des Onboarding-Prozesses, auch für die Teilnahme am Virtuellen Klassenzimmer von zu Hause. Oft wird mit den Teilnehmenden zusammen überlegt, von welchem Raum aus der Teilnehmende dem Kurs folgen sollte. Häufig ist zwar das Wohnzimmer wünschenswert, aber die Verbindung ist manchmal in anderen Räumen besser.

Im Bereich von Sammelunterkünften gehen wir auf die Sozialarbeiter zu und erfragen beispielsweise,ob Teilnehmende im Büro der Unterkunft am Virtuellen Klassenzimmer teilnehmen können. Das ist zwar ein Thema und eine kontinuierliche Aufgabe für sämtliche Kursniveaus, aber A2/B1- Kursteilnehmende haben so wenig Lernstrategien, dass sie der Situation stärker ausgeliefert sind. C1-Teilnehmende sind eher jünger und familiär nicht so eingebunden. Da bestehen diese Probleme kaum.

Neben der Beratung zur häuslichen Teilnahme am Virtuellen Klassenzimmer erklären wir natürlich auch sämtliche Tools die wir nutzen und beraten wirklich eins zu eins.

Welche Besonderheiten gibt es bei Kursen von A2 und B1 im Virtuellen Klassenzimmer?

Sakowski: Bei den Kursniveaus A2 - B1 muss die Auswahl der Lehrkraft genau überlegt werden. Wir setzen derzeit nur Lehrkräfte ein, die eine Alpha-Qualifizierung haben. Häufig sind überdurchschnittlich viele Teilnehmende eines Kurses nicht ausreichend alphabetisiert und eher bildungsfern. Deshalb ist uns die Alpha-Zusatzqualifizierung besonders wichtig bei den Lehrkräften. Zudem müssen diese natürlich technisch affin sein. Das ist aber ganz klar eine Einstellungsfrage. Träger und Kursleitende müssen sich darauf einlassen. Es wird meiner Ansicht nach zu häufig unterstellt, dass die Teilnehmenden nicht am Virtuellen Klassenzimmer teilnehmen können, ohne es wirklich zu begründen oder zu fundieren. Natürlich braucht man als Träger unglaublich viele Kompetenzen und muss mehr Energie aufwenden, um Teilnehmende einzeln anzusprechen und abzuholen. Möglich ist meiner Ansicht nach aber so gut wie alles.

Ab einem A2-Niveau sollte es möglich sein, Kurse ins Virtuelle Klassenzimmer zu überführen. Man muss allerdings auf die Teilnehmenden zugehen und individuell betreuen. Vor Allem ist bei niederschwelligen Niveaus ein Support in mehreren Sprachen wichtig. Wir sind durch unsere Mitarbeitenden sehr international aufgestellt. Wir können in vielen Herkunftssprachen beraten und unterstützen. Da sind die Teilnehmenden auch unglaublich dankbar für.

Man muss aber auch ganz klar festhalten, dass es für die Teilnehmenden ein Lernziel an sich ist, online zu gehen. Es passiert so viel sprachlich bis zur Onlineeinmündung. Der Nutzen ist auch im Nachhinein immens, besonders für die berufliche Integration. Von Bedeutung sind in virtuellen Kursen nicht nur das Lehrwerk und der vermittelte Lehrstoff, sondern auch der Abbau von Hürden und die Förderung der digitalen sprachlichen Kompetenzen.

Teilnehmende aus dem Virtuellen Klassenzimmer können Dateien konvertieren, sind im Umgang mit Benutzeroberflächen geübter, wissen verschiedene Medien gleichzeitig einzusetzen. Dies kann in einem Präsenzunterricht nur schwer im Kursverlauf zusätzlich beigebracht werden. Im Virtuellen Klassenzimmer geschieht dies nebenbei. Die Medienkompetenzen werden natürlich massiv gestärkt. Auch sind die Teilnehmenden, die zu Hause Kinder im Homeschooling betreuen, in der Lage, dort zu helfen. Sie können den Kindern beim Login helfen oder Dateien hoch und runter zu laden. Das unterstützt auch das Selbstwertgefühl.

Es sind allerdings schon sehr viele Neuheiten für die Teilnehmenden und manche fühlen sich dadurch überfordert. Sie haben Angst vor diesem Gefühl. Als Träger muss man in der Beratung und auch in der sozialpädagogischen Betreuung Ängste nehmen und die Bereitschaft fördern, es einfach einmal auszuprobieren. Das ist das, was wir am Anfang der Pandemie gemacht haben. Wir haben einfach angefangen, als Träger mit virtuellen Tools zu testen und haben so schnell Wissen angesammelt und konnten dann zeitnah umstellen, als das Virtuelle Klassenzimmer möglich wurde. Die Teilnehmenden müssen den Mut haben, dies auszuprobieren und dazu kann man sie meiner Ansicht nach dazu motivieren.

Natürlich gibt es immer Teilnehmende, für die eine Teilnahme aus diversen Gründen nicht in Frage kommt. Ein Teilnehmer hatte beispielsweise Angst, unseren geliehenen Laptop kaputt zu machen und wollte diesen auch nicht annehmen. Diesem Teilnehmenden haben wir dann angeboten, vor Ort in einem eigenen Raum mit unseren Rechnern zu arbeiten.

Sie verleihen Endgeräte an Ihre Teilnehmenden. Sie verleihen diese Geräte seit der Überführung der ersten Kurse in das Virtuelle Klassenzimmer. Haben Sie hierbei negative Erfahrungen gemacht?

Sakowski: Nein. Die Teilnehmenden gehen wirklich sehr ordentlich mit den Geräten um und sind glücklich über die Leihgeräte. Häufig arbeiten auch die Kinder zu Hause mit unseren Leihgeräten. Wenn die Teilnehmenden die Laptops oder Tablets wieder abgeben, dann kann man dies oft erkennen. So fördern wir nebenbei noch die Möglichkeiten zum Homeschooling.

Hilft die Pandemiezulage für die Umstellung auf das Virtuelle Klassenzimmer?

Sakowski: Die Pandemiezulage hilft immens. Wir haben hunderte Tablets und Laptops, ca. 200-250 Geräte angeschafft. Die Zulage deckt zwar die Hardware ab, aber viele Folgekosten nicht. Die Aufbereitung der Geräte, Windows Lizenzen, E-Mails Accounts, Wiederherstellung von Laptops für die neue Vergabe sind beispielsweise Kostentreiber. Aber die Anfangsinvestitionen konnten durch die Pandemiezulage abgefedert werden. Wir sind wirklich unglaublich glücklich über diese Zulage. Andernfalls wüsste ich nicht, ob wir derart technisch aufgestellt wären. Natürlich sind wir viel in Vorleistung getreten. Aber die Zulage hilft enorm. Wir sind ein verhältnismäßig kleiner Träger in Köln. Wir mussten alle Räume mit Kameras ausstatten und im Zuge der Umstellung auf das Onlineangebot mehrere hundert Meter neue Kabel verlegt. Natürlich haben wir vor Ort W-LAN, aber um Schwankungen zu verhindern, haben wir die Kabel verlegen lassen.  

Haben Sie die Wechselmodelle zwischen Virtuellem Klassenzimmer und Präsenzunterricht ausprobiert? Wo sehen Sie die jeweiligen Vor- und Nachteile der Wechselmodelle (2a)?

Sakowski: Ausprobiert haben wir das Modell: wir haben in den Nachbarraum gestreamt. Ich glaube, wir haben eine komplette Nachtschicht daran gearbeitet. Wir haben sämtliche Mikrofone getestet - z.B. Karaoke-Mikros - um zu hören, bei welchem die geringsten Interferenzen entstehen. Es gab aber immer Rückkopplungen und eine Gruppe fühlte sich immer benachteiligt. Man hat alleine vor dem Rechner mehr Möglichkeiten, mitzumachen, weil es interaktiver ist. Meiner Ansicht nach ist das Wechselmodell sprachlich auch viel aufwändiger. Der Kontakt ist nicht so direkt wie im Virtuellen Klassenzimmer (Modell 2) und zudem ist die Übertragung mittels extremer Weitwinkelkameras eher gewöhnungsbedürftig. Es entsteht nicht der gleiche Kontakt unter den Teilnehmenden und zur Lehrkraft. Daher sind wir von diesem Gedanken wieder abgekommen. Zudem wären diese Kursarten in NRW zudem nun untersagt. Es ist also auch nicht krisenfester.

Wo sehen Sie Vorteile für A2 und B1 Kursteilnehmende durch das Konzept für das Virtuelle Klassenzimmer?

Sakowski: Die Teilnehmenden werden gezwungen sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Sie können ihren Kindern im Homeschooling helfen, können Dateien umwandeln, Screenshots erstellen und Dateien abspeichern und wiederfinden. Vorher war dies für viele Teilnehmende undenkbar. Selbst für eine Tätigkeit im Niedriglohnsektor muss man heutzutage sicher mit Messengerdiensten umgehen können oder beispielweise schnell einen Translator nutzen können. Die Teilnehmenden verlassen die virtuellen Kurse viel breiter aufgestellt als die aus Präsenzkursen.

Können die virtuellen Kurse auch bei Kinderbetreuungsproblem eine Alternative sein?

Sakowski: Für gut organisierte Teilnehmende ist dies möglich. Aber es gibt auch Personen, die gar nicht teilnehmen können, da sie keine andere Bezugsperson haben, um die Kinder während des Kurses beaufsichtigen zu lassen. Es ist aber richtig, dass die Wege von und zur Schulungsstätte wegfallen und so können Kurse auch für nicht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebundene Personen realisiert werden. Wir legen im Onboarding aber auch ganz klar einen Fokus auf die Vermittlung von Strategien, um privaten Freiraum zu schaffen. Künftiges Lernen setzen wir als Thema ganz klar in den Vordergrund.

Haben Sie bereits Erfahrungen mit einer virtuellen Einstufung gemacht?

Sakowski: Für einen B1-Kurs ja, im A2-Bereich nein. Das ist aber auch wirklich schwierig. Die A1-Fähigkeiten sind extrem breit zu differenzieren. Die Einstufung ist im Integrationskurs sehr streng. Beispielsweise ist ein A1-Goethe-Zertifikat aus dem Ausland häufig nicht aussagefähig, wenn es sich bei dem besuchten Kurs lediglich um Training to the Test handelte. Diese Teilnehmenden fangen nicht mit A2.1 an, sondern eher schwächer. Die haben dann nur ein Minimum ein Wortschatz. Für die BSK verhält es sich dann ähnlich.

Wir arbeiten aber daran. Der schriftliche Bereich ist das Problem. Lesen und Schreiben ist an sich ein Riesenproblem und dann wird es mit einem dazwischengeschalteten Medium wahnsinnig schwer.

Für einen C1-Kurs hat die erste Onlineeinstufung natürlich 4 Stunden gedauert. Es gab technische Schwierigkeiten, Probleme bei der Aufgabenstellung und wir mussten erst einmal herausfinden, wie wir bei einer Einstufung bestmöglich helfen, ohne ein Ergebnis zu verfälschen. Wir mussten lernen, wie wir virtuell zielführend unterstützen. Die Arbeit im virtuellen Bereich ist mit enormen Lernsprüngen der Träger verbunden.

Es wird von Kurs zu Kurs professioneller und schneller und effektiver in der Beratung, der Account-Erstellung, dem Support usw. Da zahlt es sich aus, sich früh mit der Materie zu beschäftigen.

Welche besonderen Herausforderungen sehen die Teilnehmenden selber in Bezug auf das Virtuelle Klassenzimmer?

Sakowski: Wenn Teilnehmende große Vorbehalte haben, dann erreicht man diese auch nicht. Man muss die Bereitschaft haben, sich darauf einzulassen. Wir motivieren und nehmen Sorgen und Ängste. Wir leihen Geräte aus und unterstützen mehrsprachig. Viele Teilnehmende haben genau diese Sorgen. Sie haben die Sorge, technisch nicht mitzumachen zu können. Am Anfang dachten wir im Bereich des Geräteverleihs an Pfand, doch dann besteht die Gefahr, dass die Teilnehmenden denken, ein Gerät für 20 Euro gekauft zu haben. Wir verlangen kein Pfand und allen Teilnehmenden ist klar, dass das Gerät zurückgegeben werden muss. Wir haben bislang keine negativen Erfahrungen gemacht. Die Teilnehmenden gehen sehr pfleglich mit den Geräten um und sind dankbar für die Möglichkeit.

Es gibt Personen, die haben vor Ort eine schlechte Internetverbindung. Aber nicht der bequemste, sondern der beste Verbindungsort ist der richtige für die Teilnahme. Da beraten wir die Teilnehmenden und besprechen die häusliche Situation.

Welche Bedeutung hat der Onboarding-Prozess im Vorfeld der Virtuellen Klassenzimmer?

Sakowski: Eine riesige. Es reicht nicht, zu sagen, wir machen den Kurs online. Für das Onboarding muss unglaublich viel Zeit investiert werden. Je lernungewohnter, desto mehr Zeit wird benötigt. Wir haben als Träger aber viele Mitarbeitende, die mehrsprachig aufgestellt sind und dadurch können wir besser helfen und vorbereiten.

Wie führen Sie das Onboarding durch?

Sakowski: Am Anfang, bei den ersten virtuellen Kursen, haben wir in Ausnahmefällen das Onboarding in Kleingruppen bei uns vor Ort durchgeführt. Wir haben mit großem Abstand und in 2-3 Kleingruppen mit der Lehrkraft und dem technischen Support die Teilnehmenden in die Systeme eingearbeitet. Jetzt werden die Teilnehmenden einzeln betreut und eingewiesen. Dies organisieren wir in einem separaten Raum. Alleine die Passwortgestaltung mit der deutschen Tastatur ist eine Hürde. Beim Onboarding erhält der Teilnehmende dann auch das Leihgerät.

Auch bei Lehrkräften gehen wir sicher, dass sie die Kamera an- und ausschalten können, Beiträge in den Chat formulieren können und ob Breakout-Sessions organisiert werden können. Wir weisen die Lehrkräfte ansonsten in den genannten Punkten, die noch nicht sicher beherrscht werden, erneut ein. Wir haben auch kleine eigene Tutorials erstellt, wie man Zoom beispielsweise updatet. Wir versenden diese als E-Mail oder laden sie in einer Cloud hoch und versuchen so die Teilnehmenden und Lehrkräfte maximal zu unterstützen.

Frage: Wie wurden Teilnehmende motiviert - insbesondere die ohne Vorerfahrungen?

Sakowski: Man kann ganz klar motivieren: Online hat einen riesigen beruflichen Vorteil. Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und die Kompetenzen in diesem Bereich sind essenziell. Es stellt sich auch die Frage: „Wie bringe ich Digitalisierung im Präsenzunterricht unter“?

Es gibt Spiele oder auch Programme, die in Präsenzform eingebunden werden können, aber das ist rudimentär. Laptops im Präsenzunterricht einzusetzen, wirkt wie ganz urtümliche Sprachlabors. Man hat nie dieselben hohe Interaktionsmöglichkeiten wie im Virtuellen Klassenzimmer.

Jedoch gibt es auch Nachteile, dessen muss man sich bewusst sein. Durch persönliche Treffen, durch den kulturellen Austausch wird enorm viel gelernt. Dies ist im virtuellen Bereich nur begrenzt möglich. Kulturell akzeptiertes Verhalten wird gespiegelt und Problemlösungsstrategien entwickelt.

Wir versuchen, wenn dies wieder möglich ist, den Teilnehmenden persönliche Treffen anzubieten. Wir überlegen Sportaktivitäten oder ein Picknick durchzuführen, um auch eine größere Bindung zu schaffen. In virtueller Form ist der kulturelle Austausch kaum bis nicht möglich.

In Präsenz ist ein Kontakt viel emotionaler. Konflikte lösen sich online auch anders. Die Gefahr besteht, dass Personen in Konfliktsituationen einfach das System abschalten und so der Konfrontation entgehen. In Präsenzform wäre dies nicht so einfach möglich. Probleme werden dann nicht so schnell gelöst wie in Präsenzform. Teilnehmende, die sich als Reaktion abmelden, wenn etwas quer läuft, bekommen wir nicht so einfach eingefangen. Es ist aber auch selten vorgekommen. In Präsenz kann man das Problem direkt besprechen und aus der Welt schaffen. Nur wenn eine Konfliktpartei das Angebot der Breakout-Session nicht wahrnimmt, dann wird das Problem auch nicht besprochen.

Liegen hier auch die Schwierigkeiten für die sozialpädagogische Begleitung bei A2 und B1-Kursen?

Sakowski: Das sozialpädagogische Angebot wird bei A2 und B1-Kursen rege angefordert. Es werden separate Zoom-Meetings und Gespräche organisiert. Ich fürchte aber, dass die stilleren Gemüter „durchflutschen“ und genau die, die ein Angebot dringend bräuchten, dieses nicht anfordern. Dafür werde ich die Lehrkräfte im Nachgang an das Interview auch noch einmal sensibilisieren, damit sie das Angebot ständig erneut unterbreiten und die Kontaktdaten der sozialpädagogischen Begleitung wiederholen. In Präsenzform wäre es aber ebenfalls schwierig herauszubekommen, ob jemand persönliche oder familiäre Probleme hat, wenn diese Person das Problem nicht äußert oder sich nicht plötzlich anders verhält.

Es ist natürlich leichter ins Gespräch zu kommen, wenn man einen Anlass wie beispielsweise Fehlzeiten oder technische Probleme hat. Wer fehlt, wird immer aktiv angesprochen und durch das Gespräch kommen häufig die Probleme ans Tageslicht. Personen, die aber immer ruhig am Virtuellen Klassenzimmer teilnehmen - die, die sowieso schwer zur Teilnahme zu aktivieren sind - da merkt man einen Beratungsbedarf vielleicht schwerer als in Präsenzform. Aber Teilnehmende, die einen Vorwand genutzt haben, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren und dann plötzlich über häusliche Gewalt sprachen, haben wir fast nicht mehr. Sowas hören wir nun weniger. Dies ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass der neutrale Ort beim Träger in der Schulungsstätte nun wegfällt.

Kann das Virtuelle Klassenzimmer ein vollständiger Ersatz für A2 und B1-Teilnehmende sein? Besonders bei ehemaligen Alpha-Teilnehmenden?

Sakowski: Schwierig. Bei Alphateilnehmenden wäre Präsenz immer besser. Wir haben einen Alphakurs, den wir als Onlinekurs laufen lassen. Der ist auch schon fortgeschritten und die Lehrkräfte sind begeistert, wie gut er funktioniert. Man hat im Virtuellen Klassenzimmer auch unglaublich viele Möglichkeiten, Apps zu integrieren und vielfältig zu lehren. Das funktioniert aber nicht bei null digitalem Verständnis. Es funktioniert ebenfalls nicht, wenn man kaum Zoom an- und ausschalten kann. Wenn über 50 % der Teilnehmenden den Weg nicht in die Breakout-Sessions finden, dann ist das kein zielführender Unterricht.

Diese Schwierigkeiten am Anfang zu haben, ist in Ordnung. Aber wenn dies nicht abgestellt werden kann, wird es enorm schwierig, ein funktionierendes Kursgefüge aufrecht zu erhalten. Es ist in Präsenz auch einfacher, Teilnehmenden auf die Sprünge zu helfen. Die Anweisungen von Lehrkräften werden als verbindlicher wahrgenommen, wenn sie von Angesicht zu Angesicht erklärt werden. Im Klassenzimmer kann eine Lehrkraft herumlaufen und die Aufgabenbewältigung der Teilnehmenden überprüfen.

Wir führen auch die BSK-Zusatzqualifikation online durch. Dort gibt es auch immer wieder Probleme mit Lehrkräften, die ihre Kamera nicht anmachen möchten. Ich finde, hierzu gibt es keine Diskussion. Im menschlichen Kontakt - im Gespräch - möchte man das Gesicht seines Gegenübers sehen. Man muss als Träger aber auch im Vorfeld für Vertrauen werben. Man muss darlegen, dass die Rechte am eigenen Bild befolgt werden. Im Klassenraum schützen wir uns auch nicht davor, dass jemand unser Gesicht erkennt. Wir beraten im Onboarding aber auch darüber, dass, wenn man nicht möchte, dass die anderen Teilnehmenden die eigene Wohnung sehen, man die Kamera entsprechend platziert, einen Vorhang aufhängt oder Systemeinstellungen nutzt, die ein anderes Hintergrundbild projizieren. Das ist wieder Bestandteil des Beratungsaufwands im Vorfeld des Kurses.

Mit welcher Konferenz-Software arbeiten Sie im virtuellen Kurs? Warum diese, bzw. haben sie darüber nachgedacht das System zu wechseln? Hatten sie Bedenken, was das System angeht?

Sakowski: Wir arbeiten mit Zoom. Zu Beginn hatten wir datenschutzrechte Bedenken; diese haben wir aber nicht mehr. Man kann bei Zoom aussuchen, nach welchen Rechten man die Datenverwaltung organisiert haben will. Wir haben dort dann die EU-Rechte ausgewählt. Der Server steht in Deutschland. Das kann man täglich überprüfen. Wir haben uns auch andere Programme und Tools zeigen lassen. Momentan sehen wir aber keine Notwendigkeit, das System zu wechseln. Zoom hat ständig neue Features und entwickelt sich weiter. Aber wir werden uns die Produkte immer anschauen und auf dem Laufenden bleiben.

Wird eine Lernplattform bzw. ein Lernmanagementsystem verwendet und wenn ja, welche? Was sind Ihre Erfahrungen damit?

Sakowski: Wir arbeiten mit Google Classroom, auch bei den Qualifikationen für Lehrkräfte. Wir haben bislang nur gute Erfahrungen damit gemacht.

Haben Sie Erfahrungen mit der parallelen Nutzung unterschiedlicher Tools gemacht (z. B. Messenger)? Wie bewerten Sie diese?

Sakowski: Wir arbeiten mit so vielen Kanälen wie notwendig. Ein Ziel ist es, untereinander Kontakt herstellen und Aufgaben zu klären, zu erteilen und einzusammeln. Personen anchatten, Rückfragen an die Klassenkameraden stellen oder über den Unterricht zusammen reden, bzw. schreiben, ist ein weiterer Aspekt der Kommunikation im Kurs. Man darf bei all den technischen Bedingungen den zwischenmenschlichen Faktor nicht aus den Augen lassen. Ein funktionierendes Klassengefüge ist immens wichtig für den Lernerfolg einer Gruppe. Und dies wird dann mit eigenen Gruppen in Messenger Diensten gefördert. Auch das Verschicken von erledigten Aufgaben ist für viele Teilnehmende über diese Messenger einfacher.

Wenn nun der Präsenzunterricht wieder vollständig uneingeschränkt möglich wäre, würden sie ein Angebot an Virtuellen Klassenzimmern aufrechterhalten wollen?

Sakowski: Wir wollen das Angebot auf jeden Fall aufrechterhalten. Viele Personen berichten, dass sie durch das Onlineangebot neben der Arbeit Deutsch lernen können. Die Fahrzeit zur den Schulungsstätten entfällt und einige Teilnehmende können sogar bei ihren Arbeitgebern Räume nutzen, um dem Unterricht zu folgen. Wir ermöglichen Menschen eine Kursteilnahme, die nie einen normalen Kurs besuchen könnten. Wir erreichen viel mehr Menschen mit diesem Angebot. Vor allem in dieser wirklich schwierigen Pandemie ermöglichen wir Risikogruppen eine Kursteilnahme ohne sich der Gefahr des direkten Kontakts auszusetzen. Der virtuelle Kurs wird bei den BSK seine Berechtigung weiterhin haben, auch wenn die derzeitige Pandemie ausgestanden ist.

Inwiefern sehen Sie mittlerweile Schwierigkeiten bei der Prüfungsvorbereitung im Virtuellen Klassenzimmer?

Sakowski: Die Lehrkräfte bestätigen, dass die mündliche Vorbereitung besser und einfacher läuft als in Präsenzform. Durch Breakoutsessions ist die Gruppenorganisation einfacher und die Teilnehmenden stören sich nicht untereinander, wenn sie ihren mündlichen Vortrag oder einen Dialog proben. In Präsenzform müsste man mehrere Räume blockieren, um den Gruppen eine ungestörte Vorbereitung einzuräumen, aber in Zoom ist dies in Sekunden organisiert. Es liegt in der Natur der Sache, dass es in niederschwelligen Kursen schwieriger ist, eine Prüfungsvorbereitung bestmöglich zu organisieren. Aber ich sehe dort keine unüberwindbaren Hürden. Diese Personen sind eher mit der Prüfung an sich überfordert und da ist ein Durchspielen und kontinuierliches Proben wichtig. Dadurch nimmt man den Teilnehmenden die Angst. Die mündliche Prüfung kann man also perfekt vorbereiten.

Wie könnte das BAMF noch mehr unterstützen?

Sakowski: Vordrucke müssten vorgegeben werden, das wäre sehr wünschenswert. Dass in Einverständniserklärungen oder auch bestehende Unterlagen die virtuelle Kursform mit aufgenommen wird, wäre eine erhebliche Arbeitserleichterung. Wir haben uns da rechtlich auch beraten lassen müssen. Seit der DGSVO haben wir da großen Respekt vor und es gibt keinen Spielraum für Fehler.

In welchen Bereichen müssen sich Lehrkräfte für das Lehren im Virtuellen Klassenzimmer kontinuierlich weiterbilden?

Sakowski: Eine Lehrkraft, die genau weiß, wie kommunikativer Unterricht funktioniert, weiß noch nicht unbedingt, wie man es technisch übersetzt. Meistens werden aber die gleichen Fragen bzw. Bedenken geäußert. Die Lehrkräfte wollen wissen, wie sie Teilnehmende im Virtuellen Klassenzimmer aktivieren können. Häufig wird behauptet, dass dies nicht möglich sei.

Ich sage nur: wenn man es in Präsenz nicht kann, kann man es online auch nicht. Vielen Lehrkräften muss aber erst einmal gezeigt werden, was denn eigentlich digital alles möglich ist. Dann fallen meist auch schnell die Bedenken weg. Als Träger muss man einfache Systeme nutzen. Die Dateneingabe muss einfach sein, es darf keine aufwändige Registrierung notwendig sein, zumindest für Lehrkräfte und Teilnehmende. Da muss man drauf achten. Ansonsten baut man im Vorfeld schon eine Abwehrhaltung bei Teilnehmenden und Lehrkräften auf. Die Berührungsängste werden sonst nicht abgebaut, sondern eher forciert.

Letztlich ist es als Träger wichtig, ständig weiter zu lernen. Man muss Flexibilität anbieten, um durch eine Auswahl an Tools dann das passende im Kurs einsetzen zu können. Das gilt für Lehrkräfte wie auch für den Träger.

Haben sie einen Rat für einen Träger, der sich bislang nicht an A2 und B1- Kurse im Virtuellen Klassenzimmer gewagt hat?

Sakowski: Ganz ehrlich: Dann wird es aber höchste Zeit! Meiner Ansicht nach ist dies eine Einstellungsfrage. Man muss den Teilnehmenden etwas zutrauen und auch sich selber als Träger das Virtuelle Klassenzimmer zutrauen. Wichtig sind vor Allem am Anfang erfahrene Lehrkräfte, die einem auch Hinweise geben können. Grundsätzlich muss man aber bereit sein, überhaupt solche Projekte starten zu wollen. Vor allem besteht jetzt noch die Möglichkeit, durch die Pandemiezulage eine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Dies war für uns enorm wichtig und jeder Träger sollte das nutzen, solange es geht.

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