Franco A. - Untersuchungen abgeschlossen , Datum: 31.05.2017, Ausgabejahr: Nr. 017/2017, Format: Pressemitteilung

Hierzu äußert sich Jutta Cordt, Präsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, wie folgt:

Die vom Bundesinnenminister angeordneten Untersuchungen zum konkreten Fall Franco A. als auch der zusätzlichen Stichproben von 2.000 Fällen aus Syrien und Afghanistan sind vollständig abgeschlossen.

Zusammenfassend vorweg:

Beide Untersuchungen machen deutlich: Es gab keine zu Franco A. vergleichbaren Fälle, die Sicherheitsvorgaben wurden in allen untersuchten Fällen ausnahmslos umfassend eingehalten.

Zur Untersuchung des Falls Franco A.

Die Ergebnisse aus dem ersten Zwischenbericht haben sich bestätigt:

  1. In jedem Verfahrensabschnitt sind im Fall Franco A. eklatante Fehler aufgetreten. Das hätte nicht passieren dürfen. Für eine bewusste Manipulation haben unsere Untersuchungen keinen Anhaltspunkt geliefert.
  2. Die am Verfahren beteiligten Mitarbeiter haben Erlerntes teilweise nicht korrekt angewendet, sie haben falsche Entscheidungen getroffen.
  3. Sowohl Anhörer als auch Entscheider waren geschult. Die Mängel bei der Identitätsfeststellung hätten aufgeklärt werden können und auch müssen.
  4. Die eingesetzten Dolmetscher haben ihre eigentliche Aufgabe zu dolmetschen erfüllt. Hinweise auf Zweifel oder Unklarheiten zur Person sind – entgegen der geübten Praxis - nicht gegeben worden, dies ist nicht akzeptabel. Wir haben hier verbindliche Regelungen getroffen.

Zur zweiten Untersuchung, nämlich der 2.000 zusätzlichen Stichproben

  1. Im Fall Franco A. lagen Fehler in jedem Verfahrensschritt vor. Es gibt keinen einzigen weiteren Fall, in dem vergleichbare Fehler durch die Innenrevision festgestellt wurden.
  2. Erkennungsdienstliche Behandlungen sind in sämtlichen Verfahren durchgeführt worden. Bei allen 2.000 gesichteten Verfahren wurden die Sicherheitsstandards vollständig eingehalten.
  3. Die beteiligten Dolmetscher hatten in allen geprüften Fällen die erforderliche Zertifizierung durch das zuständige Fachreferat, inklusive der Sicherheitsüberprüfung vor Aufnahme der Tätigkeit beim BAMF durchlaufen.
  4. Alle Anhörungen fanden in der landestypischen Sprache statt.
  5. Im Rahmen der Stichprobe wurde auch die Plausibilität der Entscheidungen betrachtet. Das heißt, es wurde geprüft, ob die jeweilige Entscheidung auf Grundlage der Aktenlage in allen Schritten nachvollzogen werden kann. Das bedeutet, dass eine Bewertung als "nicht plausibel" nicht heißen muss, dass die Entscheidung so nicht hätte getroffen werden dürfen.
    Für das Herkunftsland Syrien sind 82% der Entscheidungen von den Prüfern als plausibel gekennzeichnet worden, für Afghanistan 54% - aber wie gesagt, das heißt nicht, dass die anderen Fälle falsch sein müssen.

Bei der Einordnung dieser Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass vor dem Hintergrund der hohen Zugangszahlen und der damit verbundenen Sicherheitsfragen die Verfahren im Bundesamt 2015 und 2016 massiv beschleunigt werden mussten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bei einem sich abzeichnenden Schutzstatus vielfach eine von den normalen Standards abweichende, beschleunigte Bearbeitung erfolgte und Dokumentationen nicht im erforderlichen Umfang vorgenommen wurden.


Was folgt aus den Prüfungen?

Es gibt 3 Handlungsstränge.

Handlungsstrang 1: Bereits vor Franco A. haben wir zahlreiche Maßnahmen zur Qualitätsoptimierung ergriffen.

  1. Ich habe bereits im 1. Quartal des Jahres das Personal in den Referaten für Sicherheit und Qualitätssicherung augestockt.
  2. Die Überprüfung von Verfahren, die im sog. schriftlichen Verfahren entschieden wurden, ist bereits eingeleitet.
  3. Mit dem aktuellen Gesetzesentwurf zum Auslesen von Handydaten, der ein Wunsch von uns war, werden wir hoffentlich eine weitere Möglichkeit bekommen, die Aussagen der Schutzsuchenden zu verifizieren.
  4. Bereits 2016 wurde noch unter Herrn Weise damit begonnen, IT-Verfahren zur Unterstützung der Mitarbeiter zu erproben.

    • Z.B. prüfen wir derzeit technische Assistenzssysteme, die unseren Entscheidern bei der Identitätsfeststellung von Asylbewerbern behilflich sein könnten. Wir erproben aktuell eine Stimmbiometrie-Software, die Hinweise auf das Herkunftsland anhand des gesprochenen Dialekts gibt.

    • Wir entwickeln darüber hinaus ein Assistenzsystem für Anhörer/Entscheider weiter, welches die Mitarbeiter strukturiert von Frage zu Frage im Asylverfahren führt und auf Unstimmigkeiten hinweist.

Handlungsstrang 2: Wir haben unmittelbar nach Bekanntwerden des Falls Franco A. sofort weitere Optimierungen angestoßen:

  1. Wir haben das Thema Qualitätssicherung bei den Mitarbeitern in den Fokus gerückt und sie sensibilisiert.
  2. Bereits Ende Mai wurden die Regelungen zur Durchführung von Qualitätskontrollen verschärft.
  3. Ebenfalls werden bis Ende Juni Checklisten zur Qualitätssicherung für jeden einzelnen Verfahrensschritt vorgelegt.
  4. Wir haben die Mitarbeiter verpflichtet, Dolmetscher gezielt nach Unstimmigkeiten zu befragen. Gleichzeitig wurden 8.000 Verträge der Dolmetscher entsprechend ergänzt, so dass sie zukünftig verpflichtet sind, sprachliche Auffälligkeiten an die Mitarbeiter des BAMF zu melden.
  5. Parallel dazu wurde eine Abfrage zum weiterem Qualifizierungsbedarf der Mitarbeiter angestoßen. Die Ergebnisse dieser Abfrage liegen in Kürze vor.

Handlungsstrang 3: Was gibt es nach den Erkenntnissen der Innenrevision darüber hinaus zu tun?

  1. Im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister werden wir die Überprüfung der entschiedenen Fälle, zu der wir spätestens nach drei Jahren gesetzlich verpflichtet sind, vorziehen.
    Das heißt, wir wollen nach dem Abbau der Altverfahren noch in diesem Jahr mit der Überprüfung einer ersten Gruppe von ca. 80.000 bis 100.000 Fällen beginnen.

    Diese Prüfung kann zu Verzögerungen in anderen Bereichen und auch bei der Bearbeitungsdauer der Asylverfahren führen. Heute wie in der Vergangenheit besteht mit dem Bundesinnenministerium absolutes Einvernehmen: Qualität und Sicherheit geht vor Geschwindigkeit.

  2. Wir werden in unsere IT-Verfahren die Dokumentationsfelder zur Qualitätskontrolle verpflichtend einführen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass

  • die Überprüfung belegt, dass in 100% der überprüften Fälle die Sicherheitsvorgaben eingehalten wurden,
  • wir bereits vor dem Fall Franco A. zahlreiche Maßnahmen zur weiteren Optimierung unserer Qualität ergriffen haben,
  • wir nach Bekanntwerden der Fehler im Fall Franco A. sofort die notwendigen Maßnahmen aufgesetzt
  • und wir weitere Empfehlungen der Innenrevision aufgegriffen haben.

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge