Angekommen und eingelebt? , Datum: 31.03.2022, Ausgabejahr: Nr. 04/2022, Format: Pressemitteilung , Studie zu (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern in Deutschland

(Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sind in Deutschland insgesamt gut integriert. Die Teilhabe vollzieht sich schrittweise: Je länger Zugewanderte in Deutschland leben, desto besser haben sie sich in vielen Bereichen eingelebt. Das sind zentrale Befunde der vom wissenschaftlichen Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) und dem Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) gemeinsam durchgeführten Studie "Integration gelungen? Lebenswelten und gesellschaftliche Teilhabe von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern".

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Die strukturelle Integration von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern ist auf Basis von Daten aus dem Mikrozensus als insgesamt gelungen zu beurteilen. Ihre Arbeitsmarktbeteiligung ist hoch, das Bildungsniveau ähnelt dem der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund, ihr Durchschnittseinkommen liegt im mittleren Bereich und sie verfügen häufiger als andere Zugewanderte über Wohneigentum. Die untersuchten Indikatoren sind besonders günstig bei denjenigen, die bis Ende der 1980er Jahre zum Beispiel aus Polen und Rumänien zugewandert sind. Für die postsowjetische (Spät-)Aussiedlerbevölkerung, die seit Beginn der 1990er Jahre nach Deutschland kam, wurde teilweise ein geringerer Integrationsstand festgestellt.

"Ökonomisch gesehen befinden sich (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion in einer insgesamt etwas ungünstigeren Situation", erklärt Johannes Graf, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter im BAMF-Forschungszentrum. Sie hätten vermehrt keinen berufsbildenden Abschluss, ihr Pro-Kopf-Einkommen sei niedriger, zudem seien sie häufiger von Altersarmut betroffen als andere Personen mit Migrationserfahrung. "Das betrifft vor allem die jetzt über 65-Jährigen und liegt unter anderem daran, dass ihre im Herkunftsland geleisteten Berufsjahre nur eingeschränkt als Rentenanwartschaft anerkannt werden", so Graf. Mit dem Grundrentengesetz von 2021 und dem geplanten Härtefallfonds sind inzwischen erste Lösungsansätze auf den Weg gebracht worden. Ob diese Maßnahmen eine ausreichende Wirkung erzielen oder zusätzliche Ansätze, die sich beispielsweise auf breitere zuwanderungsbedingte Gründe für Altersarmut beziehen, verfolgt werden sollten, muss noch untersucht werden.

Um ein weiter differenziertes Bild zur Integration von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern zu erhalten, wurde in der Studie mit Hilfe von Daten aus dem SVR-Integrationsbarometer auch ihre gesellschaftliche Teilhabe untersucht. "Wir konnten feststellen, dass sich Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus stark mit Deutschland identifizieren. Zudem pflegen sie zahlreiche Kontakte zu Deutschen ohne Migrationshintergrund und sprechen in ihrem Freundeskreis überwiegend Deutsch", erklärt Dr. Nils Friedrichs, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SVR.
"(Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sind mehrheitlich mit der Demokratie in Deutschland zufrieden, mit den politischen Verhältnissen in ihrem Herkunftsland hingegen eher unzufrieden. Politisch sind sie weiterhin eher konservativ eingestellt. Eine leichte Abweichung ergibt sich bei Zugewanderten mit (Spät-)Aussiedlerstatus aus dem postsowjetischen Raum. Sie neigen im Durchschnitt etwas häufiger zur rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) sowie zur Linkspartei, sind mit den politischen Verhältnissen im Herkunftsland etwas mehr zufrieden und zeigen ein etwas geringeres Interesse an Politik als (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler aus anderen Herkunftsländern."

Dieser Befund lasse sich jedoch teilweise auch durch Kontextfaktoren erklären: "Insbesondere das Bildungsniveau ist bedeutsam: Höhergebildete postsowjetische Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus zeigen mehr Interesse an Politik und unterscheiden sich in vielen Aspekten nicht mehr von Zugewanderten aus anderen Herkunftsländern. Daher empfehlen wir, mehr in Bildung – und hier vor allem in politische Bildung – zu investieren", sagt Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR. Auch die Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Zuwanderung spielten eine Rolle. So hätten postsowjetische Zugewanderte meist schlechtere Startbedingungen gehabt, etwa weil zum Zeitpunkt der Zuwanderung ihre Deutschkenntnisse in der Regel schlechter gewesen seien. "Nachfolgende Generationen stehen meist vor weniger großen Herausforderungen als die Zugewanderten selbst – und bei diesen macht die Aufenthaltsdauer einen entscheidenden Unterschied", so Schneider.

(Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sowie deren Angehörige stellen eine der größten Zuwanderungsgruppen in Deutschland dar: Zwischen 1950 und 2020 wurden etwa 4,6 Millionen Menschen registriert. Gut ein Drittel von ihnen kam nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und überwiegend aus dem postsowjetischen Raum nach Deutschland. Trotz dieser quantitativen Bedeutung liegen kaum Datensätze vor, die eine adäquate quantitativ-statistische Untersuchung ihrer gesellschaftlichen Integration ermöglichen. Obwohl die Zuwanderung stark zurückgegangen ist, kommen Jahr für Jahr noch mehrere Tausend Menschen als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nach Deutschland, im vergangenen Jahr waren es gut 7.000.

"Bei unseren gemeinsamen Analysen wurden die Potenziale verschiedener Datenquellen genutzt und eine innovative Herangehensweise gewählt: Wir haben den Stand der Integration von Zugewanderten mit (Spät-)Aussiedlerstatus in unterschiedlichen Dimensionen betrachtet und diese Bevölkerungsgruppe sowohl mit anderen Zugewanderten als auch mit Menschen ohne Migrationshintergrund verglichen. Zusätzlich haben wir auch innerhalb der Gruppe der (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler selbst nach Geburtsländern differenziert. Damit können wir Besonderheiten herausfiltern, die bei der Gestaltung von Politik berücksichtigt werden können", erklärt Dr. Axel Kreienbrink, Gruppenleiter des BAMF-Forschungszentrums. "Damit knüpfen wir an eine erste Studie zu dieser Zuwanderungsgruppe an, die wir als BAMF-FZ bereits 2013 veröffentlicht haben, und gehen über diese hinaus, indem wir zusätzliche Daten und Differenzierungen der untersuchten Gruppe präsentieren können."

In dem vom BAMF geförderten Kooperationsprojekt zwischen dem wissenschaftlichen Stab des SVR und dem Forschungszentrum des BAMF wurden die Teilhabe sowie die integrationsrelevanten Einstellungen von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern in zentralen gesellschaftlichen Bereichen untersucht. Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus sind deutsche Volkszugehörige und erhalten deshalb im Rahmen des Aufnahmeverfahrens unmittelbar die deutsche Staatsangehörigkeit. Dennoch stehen sie bei der Integration und Teilhabe oft vor den gleichen Herausforderungen, mit denen auch andere Zuwanderinnen und Zuwanderer in Deutschland konfrontiert sind.


Integration gelungen? Format: Studie

Diese Studie beleuchtet auf Basis von Auswertungen des Mikrozensus und des SVR-Integrationsbarometers verschiedene Aspekte des aktuellen Stands der gesellschaftlichen Teilhabe von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern. Sie differenziert dabei nach den verschiedenen Herkunftsländern und -regionen dieser Zuwanderungsgruppe.

Quelle: SVR und BAMF