Ein Ball bringt Begegnung ins Rollen , Datum: 28.11.2016, Format: Meldung, Bereich: Integration , Integrationsprojekt des Monats November

Der FC Reutlingen und drei verschiedene Migrantensportvereine schließen sich zu einer mulitikulturellen Spielgemeinschaft zusammen – den SGM Reutlinger Juniors. Dabei spielen die kleinen Fußballer den Großen vor, wie die Einwanderungsgesellschaft gelebt wird.

Ein sonniger Tag, ein grüner Fußballrasen, auf dem kleine Tore aufgestellt sind. Das Training der Reutlinger Juniors läuft. Fünfjährige Jungs werden in dreier Teams gruppiert und spielen gegeneinander. Einer trägt ein Albanien Trikot. Zwei weitere Jungen haben serbische Trikots an. "Ihr seid heute ein Team", sagt der Trainer. Die Jungen umarmen sich, laufen über den Platz und sind sofort ein Team. In der anderen Mannschaft kicken ein deutsches Mädchen und zwei türkische Kinder zusammen um die Wette. "Für die Kinder ist es keine Frage miteinander zu spielen, ganz gleich welcher Nationalität ihre Eltern angehören", kommentiert Bozana Cetojevic die erste Vorsitzende des Sportvereins "Sveti Sava" und Vorstandsrätin der neuen Spielgemeinschaft. "Wir sind alle ein Team. Gemeinsam sind wir stark", - diese Werte wollen sie den Reutlingen Juniors beibringen. "Wobei man gar nicht viel tun muss, weil sie es schon können", ergänzt sie. Das hat auch eine Untersuchung der Universität Tübingen belegt, die die Reutlinger Juniors als ein Integrationsprojekt wissenschaftlich unter die Lupe nahm. Laut dieser definieren sich die Vereinsmitglieder nicht über ihre nationale Identitäten, sondern über gemeinsame Werte und Tugenden. Und mehr noch: "Erst mit zunehmendem Alter wird kulturelle Herkunft wichtig."
Im April 2014 wurde die SGM ins Leben gerufen. Zuvor hatten vier verschiedene Fußballvereine jahrelang auf dem gleichen Sportgelände nebeneinander trainiert. FC Reutlingen, Sveti Sava Reutlingen, SV Croatia Reutlingen und Anadolu Reutlingen. Doch nur der FC Reutlingen durfte Jugendarbeit betreiben. Die anderen Vereine hätten das auch gern getan, bekamen aber keine Genehmigung dafür. Deshalb verkürzte der Vorsitzende des Vereins FC Reutlingen Theo Faßnacht den Amtsweg und schlug den anderen vor, eine gemeinsame Jugendspielgemeinschaft aufzubauen. Ihm fehlte es schließlich auch an Kindern, Ehrenamtlichen und an Trainern. So könnten sie viele Probleme gemeinsam lösen.
Die Spielergemeinschaft war ursprünglich nicht als ein Integrationsprojekt gedacht. Die vier Vereine schlossen sich als gleichwertige Mitglieder zusammen, um ihr gemeinsames Projekt, die Jugendarbeit, zu realisieren. Josip Mićić von SV Croatia, auch Vorstand der SGM erklärt: "Das besondere war, dass ein Verein, der deutsche Wurzeln hat, sich bereit erklärt hat mit Vereinen mit Migrationshintergrund zusammen zu arbeiten. Hier hat Theo Faßnacht Großes geleistet."
Julia Sandmann vom Landessportverband Baden-Württemberg e. V. koordiniert das Programm "Integration durch Sport" auf Landesebene in Baden-Württemberg und betreut die SGM Reutlingen. Unter anderem kümmert sie sich um Übungsleiterhonorare, Anschaffung von Sportgeräten und sorgt auch für interkulturelle Qualifizierungsmaßnahmen der Trainer. "Meines Erachtens nach werden Migrantensportvereinen häufig mangelnde Integrationsinteressen und Separation vorgeworfen", sagt sie. Dies spiegele nicht die Realität wider, so Sandmann. Diese Fokussierung auf die Herkunft beschäftigt auch Bozana Cetojevic: "Wir werden immer noch als serbisch angesehen. Ich finde, im Fußball geht es wie in jeder Sportart um den Austausch und um das Soziale."

Was Cetojevic beschreibt, entspricht der Zielsetzung des Programms "Integration durch Sport", das durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert und den Deutschen Olympischen Sportbund koordiniert wird. Durch den Sport begegnen sich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf Augenhöhe. Das baut Vorurteile ab und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Bei der SGM scheint das gut zu funktionieren. Inzwischen spielen hier etwa 100 Kinder in vier Altersgruppen. Weitere finanzielle und organisatorische Unterstützung verspricht Sandmann solange bis sich die SGM alleine trägt. Damit das passiert wünschen sich die Vorstände mehr Mitarbeit von Seiten der Eltern.
Ob die Studie der Universität Tübingen Recht behält und die kulturelle Herkunft auch für die Kinder der SGM Reutlinger Juniors mit zunehmendem Alter wichtiger werden wird? Für Theo Faßnacht stellt sich diese Frage nicht. "Die Kinder fragen nicht, bist du Türke oder Kroate, das interessiert sie alles nicht. Sie kommen und spielen miteinander. Sie laden sich zu Geburtstagen ein. Sie wachsen heute so miteinander auf und werden auch in zehn Jahren diese starren Probleme nicht haben."

Text: Borjana Zamani