Basecap, Kopftuch, Turban oder Kippa
, Datum: 16.11.2020, Format: Meldung, Bereich: Integration , Mit BAMF-gefördertem Antidiskriminierungsprojekt für mehr Toleranz

Seit 15 Jahren steht er im Kalender und doch hat er nicht an Aktualität verloren: Am 16. November 2020 findet der Tag der Toleranz statt. 1995 unterzeichneten 185 Mitgliedsstaaten der UNESCO in Paris die Erklärung zu den Prinzipien der Toleranz. "Toleranz bedeutet Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt", so die Verfasser. Etwa durch Wissen und Kommunikation und durch Freiheit des Denkens und des Glaubens wird die Toleranz gefördert, heißt es weiter. Besonders dem Wissen sowie der Kommunikation über den Glauben hat sich das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) geförderte Antidiskriminierungsprojekt "Basecap, Kopftuch, Turban oder Kippa" des Fürstenwalder Vereins Jugendhilfe und Sozialarbeit (JuSeV) verschrieben.

Dass es eine gesellschaftliche Aufgabe und Notwendigkeit werden würde, über die verschiedenen Religionen ins Gespräch zu kommen, war Christoph Ritter relativ zeitig klar, als viele Geflüchtete Deutschland und auch Ostbrandenburg erreicht hatten. "Es kommen Menschen, die gewohnt sind, offen über ihre Religion zu sprechen nach Ostbrandenburg, wo nur noch ein Fünftel der Einwohner einer Religion anhängen und wo nur wenige darüber reden", sagt der pädagogische Vorstand des diakonischen Vereins JuSeV.

"Als erste Aufgabe, nachdem der Start des Projekts durch eine Förderung des BAMF sichergestellt war, galt es, Vertrauen bei den Teilnehmenden zu gewinnen", sagt Liliana Kiefer, die das Projekt als Verantwortliche vorangetrieben hat. Wenn möglich treffen sich seitdem die Teilnehmenden zum interreligiösen Austausch einmal in der Woche.

Intoleranz oft als Witz getarnt

"In der Schule geht es nicht so intensiv um Religion, wir haben hier viel über andere Glaubensrichtungen gelernt", erklärt die 13-jährige Maha. Sie ist Teilnehmende des Antirassismus-Projekts "Basecap, Kopftuch, Turban oder Kippa". Geboren wurde Maha in Deutschland, ihre Eltern stammen aus Syrien. "Intoleranz und Diskriminierung gibt es schon noch", hat sie festgestellt. Allerdings nicht ganz offensichtlich als stumpfe Beleidigung. "Mir gegenüber sind die oft als Witze getarnt." Aber ein bisschen Ernst sei immer dran, glaubt sie. "Oftmals lässt man sich das gefallen." Zukünftig will sie, durch die Workshops ermutigt, etwas mehr entgegensetzen.

Ihre Freundin Sadiel bezeichnet die Zusammenkünfte beim Projekt als sehr spannend. "Wir lernen Jugendliche mit anderem oder gar keinem Glauben besser kennen und können mit ihnen darüber reden." Gerade dieser unterstützte Dialog ist wichtig. "So werden Uneinigkeiten nicht auf dem Schulhof ausgetragen, wo es vielleicht kein vernünftiges Gespräch gegeben hätte", erklärt Liliana Kiefer ein Ziel des Projekts.

Lernen, was hinter Weihnachten steckt

Nach einem Hinweis auf die Reihe im katholischen Gemeindebrief ist Paul etwas später zu den Workshops gestoßen - konnte sich aber sehr schnell in die Gruppe integrieren. "Zusammen mit meiner Mutter habe ich Bücher über verschiedene Religionen schon in meiner Kindheit gelesen", erklärt der 19-Jährige. Und der Katholik kann aufgrund seines umfangreichen Wissens nicht nur über seine eigene Religion berichten, sondern auch mit muslimischen Kindern und Jugendlichen über deren Glauben sprechen.

Das findet auch Mohamed interessant, der vor fünf Jahren mit seinen Eltern aus Syrien nach Deutschland gekommen ist. Er fühlt sich sehr gut in Fürstenwalde und hatte bisher keine Probleme mit Intoleranz. "Wenn man anderen mit Respekt begegnet, bekommt man das auch zurück", findet er. Vorurteile gegenüber anderen Religionen hegt der 15-Jährige sowieso nicht, wie der Oberschüler sagt. Allerdings hat er beispielsweise gelernt, was hinter Weihnachten im Christentum steckt. "Für mich war das bisher immer nur ein Weihnachtsbaum."

Akzeptiert fühlt sich mittlerweile auch Mohameds Freund Abdul. Als Zehnjähriger kam er allein mit seinem Bruder nach Deutschland. "Die erste Zeit in der Schule war nicht leicht", sagt er zurückblickend. Schließlich konnte er damals gar kein Deutsch, was ihm einige Lacher seiner damaligen Mitschüler einbrachte. Etwas mehr über andere Religionen zu erfahren, findet er interessant, zumal in guter Atmosphäre. "Wir treffen uns hier entspannt und reden darüber", sagt er und lächelt.

Digitale Quiz-Wettbewerbe auch während der Corona-Einschränkungen

"Aus insgesamt zwölf geplanten Veranstaltungen sind fast zwanzig geworden, da immer neue Fragen der Jugendlichen dazu kamen", berichtet Lilliana Kiefer. Eine Grundlage dieses Erfolges ist sicherlich, dass Handys und Tablets bei den Workshops nicht verbannt, sondern immer mit dabei sind. So sind in jedem Workshop digitale Quiz-Wettbewerbe integriert, die unter den Teilnehmenden ausgetragen werden.

Gerade während des ersten Corona-Stillstands im Frühjahr und auch jetzt im November, können die Jugendlichen mit dieser App auf dem Handy untereinander erreichbar bleiben und zum Thema Religionen auch zu Hause gegeneinander quizzen und mehr über Religionen lernen. Die Auflösung der Fragen gibt es gleich und bei falscher Antwort wird die korrekte Lösung umgehend angezeigt. "Wir können nicht die Diskriminierung weltweit beenden, aber wir können Intoleranz unter den Teilnehmenden und im Umfeld verbessern", ist die Pädagogin sicher. "Wenn die Jugendlichen dann noch ihr Wissen weitergeben, können wir vielen Menschen helfen."

Text: Rene Matschkowiak